„Falsche Themen, ungeeignetes Personal“

Saarbrücken · Die Ursache für die FDP-Krise liegt nach Einschätzung des Mainzer Parteienforschers Jürgen Falter in einem „fatalen Mix“ von ungeeignetem Personal und falschen Themen. Unser Berliner Korrespondent Stefan Vetter fragte nach:

Herr Falter, steckt hinter dem Siechtum der FDP mehr als nur das persönliche Versagen ihrer Führungskräfte?
Jürgen Falter: Eindeutig ja. Das Problem der FDP besteht darin, dass sie auf die Finanzkrise und die dadurch in Verruf geratene Deregulierung der Wirtschaft nicht den Hauch einer Antwort hat. Zugleich verengte sie sich programmatisch auf Steuersenkungen, was vor dem Hintergrund der Finanzkrise geradezu absurd erscheint.

Ist damit auch die liberale Idee gescheitert?
Jürgen Falter: Nein, ganz im Gegenteil. Die Bürgerrechte sind schon angesichts der neuen Medien von immenser Bedeutung. Angefangen von der Datenspeicherung bis zur drohenden Überwachung der kompletten Privatsphäre tut sich hier ein weites Feld auf. In diese Bresche sind jedoch andere Partei wie die Piraten und die Grünen gesprungen. Hier hat die FDP geschlafen.

Trotzdem erstaunt es schon, wie eine Partei binnen zwei Jahren von fast 15 auf nur noch drei Prozent in der Wählergunst abstürzen kann.
Jürgen Falter: Die Ursache für die FDP-Krise liegt im fatalen Mix von ungeeignetem Personal und falschen Themen. Ich denke da auch an Guido Westerwelle. Er hat es nicht geschafft, vom glänzenden Oppositionspolitiker umzuschalten auf einen ebenso glänzenden Staatspolitiker. Früher konnte die FDP immer aus dem Außenamt Nutzen ziehen. Heute schadet es ihr eher. Andererseits haben die jüngeren Nachfolger an der Parteispitze Westerwelles früheres Gewicht in der Öffentlichkeit nicht ersetzen können.

Beobachter meinen, dass mit Christian Lindner der falsche Mann gegangen sei. Wie sehen Sie das?
Jürgen Falter: Lindners Abgang ist sicher ein tragischer Schritt für die FDP. Er ist einer der ganz wenigen Leute, die programmatisch denken können und die FDP thematisch breiter aufstellen wollten. Der Vorsitzende Philipp Rösler ist nun zweifellos mit angeschlagen. Beide waren ja als Tandem angetreten.

Was bedeutet die FDP-Krise für die schwarz-gelbe Koalition?
Jürgen Falter: Die Union wird sich nun wohl noch stärker anderen Koalitionsmöglichkeiten öffnen, um langfristig an der Regierung zu bleiben. Lindners Rückzug dürfte die Kanzlerin in ihrer Analyse bestärken, dass mit dieser FDP nach der nächsten Bundestagswahl 2013 keine Koalition mehr zu machen ist. Dadurch steigt das Spannungsverhältnis in der amtierenden Regierung.

Mit der möglichen Folge vorzeitiger Neuwahlen?
Jürgen Falter: Nein, das liegt weder im Interesse der Union noch der FDP. Vor dem Hintergrund der aktuellen Umfragen kann daran nur die Opposition ein Interesse haben.

Kann sich die FDP wieder berappeln?
Jürgen Falter: Der Bürgerrechtsliberalismus müsste wieder zu ihrem Markenkern werden. Nützlich wäre sicher auch ein sozialer Liberalismus, wie er die FDP in den 1970er Jahren prägte. Und zum dritten muss die Partei mit der Finanzkrise glaubwürdig umgehen. Ansonsten bleibt der FDP nur die vage Hoffnung, dass ihre Spitzenleute noch politisch wachsen.

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