Experten schlagen Lockerung der Corona-Schutzmaßnahmen vor Vorsichtige Rückkehr zur Normalität?

Berlin/Halle · Experten haben Vorschläge vorgelegt, wie die Beschränkungen zum Schutz vor dem Coronavirus schrittweise aufgehoben werden können.

Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina empfiehlt, sobald wie möglich und unter bestimmten Corona-Schutzvorkehrungen die Schulen schrittweise wieder zu öffnen.

Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina empfiehlt, sobald wie möglich und unter bestimmten Corona-Schutzvorkehrungen die Schulen schrittweise wieder zu öffnen.

Foto: dpa/Armin Weigel

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) will an diesem Mittwoch mit den Ministerpräsidenten über mögliche Lockerungen der harten Beschränkungen für Menschen und Wirtschaft in Deutschland beraten. Eine wichtige Grundlage der Beratungen dürften die am Montag vorgelegten Empfehlungen der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina aus Halle sein.

Die Leopoldina-Stellungnahme sei für sie „eine sehr wichtige Studie“, wenn es um die Frage gehe, „wie können wir weiter vorgehen, wenn die Experten uns sagen, dass wir auf festem Grund stehen, was die Verbesserung der Infiziertenzahlen anbelangt“, hatte Merkel am Donnerstag vor Ostern gesagt. Das dürfte trotzdem nicht bedeuten, dass die Empfehlungen aus Halle eins zu eins umgesetzt werden.

Neben den Leopoldina-Empfehlungen liegt Merkel und den Regierungschefs unter anderem auch eine Ausarbeitung eines vom nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU) eingesetzten Expertenrats vor.

Die Leopoldina-Experten empfehlen, zuerst Grundschulen und die Sekundarstufe 1 (Haupt-, Real- und Gesamtschulen bis Klasse zehn sowie Gymnasien bis einschließlich der Klassen neun beziehungsweise zehn) zu öffnen, und begründen dies damit, dass Jüngere mehr auf persönliche Betreuung, Anleitung und Unterstützung angewiesen seien.

In Grundschulen müsse mit deutlich reduzierten Gruppengrößen von maximal 15 Schülern gestartet werden, um das Abstandsgebot besser einhalten zu können. Auch zeitversetzter Unterricht sei möglich. Zudem solle es eine Konzentration auf Schwerpunktfächer geben, etwa Deutsch und Mathematik in der Grundschule. „Der Schulhof darf nicht zum Austauschort von Viren werden“, wird betont. Es solle mit den Abschlussklassen begonnen werden, „damit sie auf den Übergang in die weiterführenden Schulen vorbereitet werden können“.

Entsprechend dieser Logik empfehlen die Experten auch bei Kitas und Kindergärten einen Betrieb mit reduzierten Gruppengrößen von maximal fünf Kindern (Fünf- und Sechsjährige) je Raum am Übergang zur Grundschule. Weil kleinere Kinder sich nicht an Distanzregeln und Schutzmaßnahmen hielten, sollen die Kitas für sie bis zu den Sommerferien im Notbetrieb bleiben – dies solle auch für die Horte gelten.

In der Sekundarstufe 1 solle der Unterricht mit jenen Stufen beginnen, bei denen zentrale Abschlussprüfungen stattfänden – bei allen weiteren Jahrgängen wird eine Konzentration auf Kernfächer (Deutsch, Mathematik, Fremdsprachen) vorgeschlagen. An den Universitäten und Hochschulen solle das Sommersemester „weitgehend als online/home-learnig-Semester zu Ende geführt werden“.

In der Studie aus Nordrhein-Westfalen heißt es, das Recht auf Bildung der Kinder und Jugendlichen sei ein Grundrecht. „Bildungsangebote sollten daher so schnell wie möglich – in verantwortbarem Umfang und unter Einhaltung hoher Schutzstandards – ermöglicht werden“. Es wird zur Differenzierung der Unterrichtsformate zwischen Ober-, Mittel- und Unterstufen sowie zu zeitversetztem Unterricht geraten.

Im öffentlichen Leben könnten zunächst etwa der Einzelhandel, das Gastgewerbe und Behörden öffnen, schlagen die Leopoldina-Experten vor. Auch private und dienstliche Reisen sowie gesellschaftliche, kulturelle und sportliche Veranstaltungen könnten wieder stattfinden. Auch hier sollten jedoch die Voraussetzungen gelten, dass es wenige Neuinfektionen gebe, bekannte Hygieneregeln eingehalten werden und Krankenhäuser gut gerüstet sind. Die Wissenschaftler sprechen sich zudem für eine Maskenpflicht etwa in Bussen und Bahnen aus. Die Experten aus Nordrhein-Westfalen schreiben derweil, in der Gastronomie seien strikte Vorgaben denkbar, was den Tischabstand oder die Personenzahl angehe. „Großveranstaltungen wie Fußballspiele der Bundesliga mit Zuschauern, aber auch Messen und Kongresse werden auf absehbare Zeit nicht stattfinden können“, heißt es weiter. Kulturelle Angebote wie Konzerte oder Theatervorstellungen könnten gegebenenfalls mit entsprechenden Einschränkungen wieder stattfinden.

„In der Phase der allmählichen Lockerung darf es nicht wieder zu einem raschen Anstieg der Infektionszahlen kommen“, warnen die Leopoldina-Experten. Als wirksamste Maßnahmen beschreiben sie das Tragen von Mund-Nasen-Schutz, flächendeckendes Testen, die Verwendung mobiler Daten, die Identifizierung der Infizierten sowie die Entwicklung von Therapien. Dies sei notwendig, um das System zu stabilisieren, bis ein wirksamer Impfstoff gefunden sei.

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