Nach dem Bund-Länder-Gipfel „Das Problem ist der Merkel-Sound“

Berlin · Der Kommunikationsexperte Karsten Göbel macht in den Bund-Länder-Gipfel-Botschaften vieles aus, was in einer Krise nicht gut ankommt. Nicht nur seitens der Kanzlerin.

 Karsten Göbel.

Karsten Göbel.

Foto: Super an der Spree

Die Stimmung unter den Bürgern ist schlecht, die Beschlüsse von Bund und Ländern im Kampf gegen Corona verwirren – nach Ansicht des Kommunikationsexperten Karsten Göbel, Gründer der renommierten Berliner Agentur „Super an der Spree“, ist das kein Wunder. Es fehle an faktischen Erfolgen, um das Ruder herumzureißen, sagt Göbel im Gespräch mit unserer Redaktion.

Herr Göbel, verstehen Sie eigentlich noch, wie Kanzlerin und Ministerpräsidenten von Runde zu Runde ihre Beschlüsse erklären?

GÖBEL Die Beschlüsse sind in Teilen selbstverständlich noch zu verstehen, aber sie sind eben kommunikativ kaum noch vermittelbar. Ein Beispiel: Die Entscheidung, am Gründonnerstag Supermärkte zu schließen, wirkt wie eine Notfallmaßnahme. Aber es stellt sich sofort die Frage: Was soll dieser eine Tag bringen, wenn alle vorher einkaufen gehen und die Infektionszahlen eben dann steigen? Solche kommunikativen Problemfälle finden sich in fast allen Beschlusspapieren.

Was war für Sie bisher der kommunikative Super-Gau?

GÖBEL Als nach der vorletzten Runde Berlins Regierender Bürgermeister Müller neben der Kanzlerin sitzend die völlig misslungene Grafik mit den verschiedenen Öffnungsstufen hochgehalten hat. Ich bin mir sicher, dass jeder 14-Jährige in Deutschland ein besseres Schaubild bauen kann. Das ist handwerklich eine Nullnummer gewesen. So funktioniert Kommunikation nicht.

Wie funktioniert sie dann?

GÖBEL In der Krisenkommunikation gibt es ein Mantra: Sag alles, sag es selber, vor allem sag es rechtzeitig. Wir leben zwar in einer Dauerkrise, was ein Unterschied ist. Aber inzwischen ist das Gefühl doch groß, dass nicht immer alles gesagt wird; dass nur eine scheibchenweise Kommunikation stattfindet. Von Lockdown zu Lockdown mit falschen Versprechungen. Besonders unklar ist jedoch: Wer redet eigentlich?

Wie meinen Sie das?

GÖBEL Es herrscht eine totale Kakophonie, weil zu viele Leute mitreden. Söder, Drosten, Spahn, Wieler, Laschet, Lauterbach, Merkel, die Kapelle ist groß, die auf dem Marktplatz steht. Das führt zu einer Überfrachtung mit Informationen, zu unklaren Botschaften, wodurch viel Vertrauen verlorengegangen ist.

Würde es etwas bringen, wenn die Kanzlerin wieder mehr reden würde?

GÖBEL Ich glaube nicht. Das Problem ist der Merkel-Sound. Den können viele nicht mehr hören. Am Anfang der Pandemie war das anders, als sie als Naturwissenschaftlerin den Sachverhalt gut erklärt hat. Inzwischen ist es ein großes Manko, dass Merkel nur noch wie eine Virologin klingt. Den Bürgern nutzt es nichts mehr, wenn sie über die Inzidenzen referiert. Es fehlt bei einer so lange andauernden Krise der optimistische Weitblick, das Angehen der wirklichen Probleme jenseits der Campingplätze.

Das heißt, die Stimmung in der Bevölkerung lässt sich nicht mehr drehen?

GÖBEL Was nicht ausreichen wird ist, wenn Jens Spahn kürzlich im CDU-Präsidium dazu auffordert, die positiven Geschichten zu erzählen. In jeder Familie lasse sich jemand finden, der bereits geimpft sei, so Spahn. Da gab es sofort tausende Tweets, was das für ein Quatsch sei. Ich will sagen: Aus meiner Sicht ist ohne echte, faktische Erfolge im Krisenmanagement durch Kommunikation nichts mehr zu retten.

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