EuGH-Urteil Derbe Klatsche für deutsche Maut-Pläne

Luxemburg/Berlin · Der Europäische Gerichtshof erklärt das Modell für rechtswidrig. Die CSU reagiert mit trotziger Enttäuschung – und will nicht locker lassen.

 Der Lack ist ab bei den deutschen Plänen für eine Pkw-Maut: Das Modell ist nicht mit dem Europarecht vereinbar.

Der Lack ist ab bei den deutschen Plänen für eine Pkw-Maut: Das Modell ist nicht mit dem Europarecht vereinbar.

Foto: picture alliance/dpa Picture-Alliance / CHROMORANGE / Ralph Peters

Die Mahner haben Recht behalten: Deutschlands Pläne für eine Pkw-Maut sind vor dem höchsten Gericht der EU, dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg, am Dienstag krachend gescheitert – und zwar in allen zentralen Punkten. Tatsächlich fiel die Zurückweisung derart umfassend aus, dass die bereits beschlossenen Pläne kaum mehr zu reparieren sein dürften.

So rügten die Richter nicht nur die geplante Entlastung der deutschen Pkw-Besitzer, die die jährlichen Kosten von höchstens 130 Euro über eine Minderung der Kfz-Steuer erstattet bekommen sollten, als „mittelbare Diskriminierung“. Denn so werde die „wirtschaftliche Last dieser Abgabe allein auf den Haltern und Fahrern von in anderen Mitgliedstaaten zugelassenen Fahrzeugen liegen“, heißt es in einer vom Gerichtshof verbreiteten Zusammenfassung des Urteils. Auch die Ausgestaltung der Infrastrukturabgabe stieß in Luxemburg auf deutliche Zurückweisung. Deutsche Autofahrer hätten keine Alternative zur Jahresvignette, selbst wenn sie die Schnellstraßen weniger benutzen wollten. Das sei auch politisch nicht in Ordnung, weil für deutsche Autofahrer weiterhin das Steuerfinanzierungsprinzip für die Autobahnen gelte, während auf ausländische Fahrer das „Verursacherprinzip“ angewendet werden sollte. Denn sie können zwischen einer Plakette für zehn Tage oder zwei Monate und einer Jahresgebühr wählen.

Hinzu kämen aber auch Verstöße gegen das Grundrecht auf freien Waren- und Dienstleistungsverkehr, heißt es in dem Urteil weiter. Denn die Infrastrukturabgabe sei „geeignet, die Transportkosten und damit auch die Preise für Erzeugnisse (aus Nachbarländern, d. Red.) zu erhöhen und damit deren Wettbewerbsfähigkeit zu beeinträchtigen“. Gleiches sei auch für die Anbieter von Dienstleistungen zu befürchten.

Bei den Reaktionen in Berlin auf das Maut-Urteil schwang vor allem eines mit: Erleichterung. Einzig die Stimmen aus der CSU gingen in eine andere Richtung – in die der trotzigen Enttäuschung. So kommentierte Innenminister Horst Seehofer, der noch CSU-Chef und bayerischer Ministerpräsident war, als die Maut zur Bundestagswahl 2013 zum Lieblingsprojekt der Bayern avancierte: „Mein Gott, man muss Gerichtsurteile akzeptieren. Aber man muss sie nicht verstehen. Und ich verstehe es nicht.“ Der andere Vater der Gebühr, der jetzige CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, als zuständiger Verkehrsminister seinerzeit für die Umsetzung zuständig, erklärte am Dienstag: „Ich habe so ein bisschen das Gefühl, dass auch hier mit zweierlei Maß gemessen wird.“ Während in Österreich „der Zusammenhang von Entlastung auf der einen Seite und Maut auf der anderen Seite“ ganz offensichtlich als rechtskonform erachtet werde, stelle der EuGH genau diesen Zusammenhang für Deutschland in Frage. Der Richterspruch sei „unverständlich“, sagte Dobrindt.

Dabei hatte sich die CSU doch auf der sicheren Seite gefühlt. Denn vor dem Urteil kamen sowohl die Europäische Kommission als auch der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof zu dem Ergebnis, das deutsche Konzept sei vereinbar mit dem Europarecht. Entsprechend überrascht zeigte sich daher Dobrindts Nachfolger im Ministeramt, Andreas Scheuer. Das Urteil sei bedauerlich, betonte er. Die Pkw-Maut sei damit „vom Tisch“.

Vorerst aber nur. Denn offenbar will die CSU nicht locker lassen. Das Prinzip der Finanzierung der Straßen durch die Nutzer sei gerecht und richtig, ergänzte der Minister. „Wir werden noch viele Debatten gerade im Herbst über das Thema ökologische Lenkungswirkung, Klimaschutz und noch vieles mehr haben.“ Darauf konzentriere man sich jetzt in der „Task Force“ zur Auswertung des Urteils und dessen Folgen, die er „sofort“ eingerichtet habe.

Bei der SPD zeigte man sich klammheimlich erleichtert über das EuGH-Urteil. Nur widerwillig war man damals dem Vorhaben des Koalitionspartners CSU gefolgt. Voraussetzung für die Zustimmung sei immer gewesen, sagte SPD-Verkehrsexperte Sören Bartol, dass die Pkw-Maut nicht gegen europäisches Recht verstoße und kein Inländer zusätzlich finanziell belastet werde. „Die Bedingungen der SPD für eine Einführung der Pkw-Maut sind nicht mehr gegeben“, so Bartol.

 Pkw-Maut in Europa

Pkw-Maut in Europa

Foto: SZ/Müller, Astrid

Gänzlich zufrieden reagierte die Opposition: „Das Urteil ist eine Klatsche für die Bundesregierung“, sagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter. Scheuer müsse „das Projekt Quatsch-Maut“ endgültig beerdigen. FDP-Chef Christian Lindner ließ wissen, das Urteil sei eine Niederlage für die CSU, „aber ein Gewinn für Europa und die deutschen Steuerzahler“.

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