"Es wäre die völlig falsche Konsequenz, solche Berichte einzustellen"

Saarbrücken/Berlin · Der Chef-Außenpolitiker der Unions-Fraktion im Bundestag, Andreas Schockenhoff (CDU), rät allen Beteiligten angesichts der Veröffentlichung von Botschaftsberichten der USA zur Gelassenheit. Das sagte er im Gespräch mit SZ-Korrespondent Werner Kolhoff.

Blicken Sie mit Sorge auf die Veröffentlichung von Wikileaks?
Schockenhoff: Dass es interne Einschätzungen gibt, gehört doch zum Leben. Die hat jeder von uns über andere Menschen auch. Es ist natürlich problematisch, wenn so etwas nun öffentlich wird. Aber damit muss man eben umgehen. Dieser Vorgang ist gerade im Zeitalter des elektronischen Nachrichtenverkehrs kein Spezifikum der Politik.

Sie meinen, Guido Westerwelle und andere deutsche Außenpolitiker reden unter sich auch nicht nur freundlich über ihre amerikanischen Partner?
Schockenhoff: Das weiß ich nicht. Ich will nur sagen, dass es nichts Außergewöhnliches ist, wenn jemand, der mit einem anderen zu tun hat, für sich Einschätzungen formuliert, was er an dem gut und weniger gut findet. Das gehört zum Job.

Fanden Sie es gut, dass Außenministerin Clinton ihre Amtskollegen in verschiedenen Staaten direkt über die bevorstehenden Enthüllungen informiert hat, auch Guido Westerwelle?
Schockenhoff: Offensichtlich ist der Vorgang den Amerikanern peinlich. Da ist es dann durchau angemessen, dass man vorher sagt: Ja, wir haben intern die und die Meinung gehabt, aber trotzdem gehen wir verantwortungsvoll miteinander um.

Nun kommt es gerade in der Diplomatie auf ein gutes menschliches Verhältnis der Partner an.
Schockenhoff: Natürlich. Aber die Partner sind auch alle hochprofessionell. Wie im Fußball. Da sagt man doch auch schon mal, dass jemand Mist gebaut hat. Und trotzdem wissen die Spieler, dass sie aufeinander angewiesen sind.

Sie glauben also nicht, dass das deutsch-amerikanische Verhältnis wir also nicht leiden wird?
Schockenhoff: Nein, es wird nicht leiden. Aber der persönliche Umgang wird sich wohl verändern. Das ist klar. Man wird sich noch kontrollierter und professioneller begegnen und sich noch weniger trauen, irgendeine Art von Emotionalität zuzulassen. Denn jeder der Partner muss damit rechnen, dass das alles irgendwann in der Zeitung steht.

Auch die deutschen Botschafter schicken regelmäßig Lageberichte nach Berlin. Sollten sie nun vorsichtiger formulieren?
Schockenhoff: Auf keinen Fall. Wir brauchen zuverlässige und offene Einschätzungen unserer Botschafter über die Situation in einem Land und über die Politiker dort. Es wäre die völlig falsche Konsequenz, solche Berichte einzustellen.

Ist das, was Wikileaks tut, kriminell oder demokratisch?
Schockenhoff: Ich bewerte nicht, ob das schlecht oder gut ist. Die Veröffentlichungen sind einfach die Folge der technischen Möglichkeiten, die es gibt. Darauf müssen sich alle eben einstellen. Ich habe kein Problem damit, dass die Art und Weise, wie Außenpolitik gemacht wird, transparent wird. Denn eigentlich ist das alles ganz normal.

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