„Es gibt rote Linien“

Saarbrücken · Nach Ansicht des Präsidenten der Bundeszentrale für politische Bildung, Thomas Krüger, hat sich Pegida zum Teil entlarvt. Er hoffe, dass der Bewegung nun die Luft ausgehe, so Krüger im Gespräch mit unserer Zeitung.

Herr Krüger, ein Organisator mit Hitlerbärtchen, weniger Protestler in Leipzig als erwartet, immer mehr Gegendemonstranten - geht Pegida und seinen Ablegern die Luft aus?
Thomas Krüger:
Das hoffe ich. Trotzdem muss man dort, wo bei Pegida-Anhängern Gesprächsbereitschaft vorhanden ist, weiter in den Dialog eintreten. Dialog darf dabei aber nicht zur Anbiederung werden. Denn mehr denn je gilt, dass vieles von dem, was auf den Demonstrationen behauptet ja nicht der Realität entspricht. Die tatsächlichen Fakten auf den Tisch zu legen und in die Diskussion einzubringen, das bleibt entscheidend in der Auseinandersetzung mit Pegida. Und wir müssen auch Flüchtlingsorganisationen und Gegendemonstranten in den Dialog einbeziehen, das ist mir sehr wichtig.

Hat sich Pegida, wie Grüne und Linke sagen, entlarvt?
Thomas Krüger:
Zum Teil. Dialog ist natürlich dann nicht möglich, wenn die Grundwerte unseres verfassungsrechtlichen Rahmens in Frage gestellt oder gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit als selbstverständlich vorausgesetzt wird. Das gilt für Menschen, die Asylsuchende als "Viehzeug" bezeichnen. Aber noch einmal: mit denen, die reden wollen und mit denen man sich auf demokratische Grundregeln verständigen kann, das Gespräch zu suchen, das ist richtig und wichtig. Aber es gibt rote Linien, die gelten müssen.

Viele Menschen fragen sich, warum Pegida gerade in Sachsen mobilisiert.
Thomas Krüger:
Große Verunsicherungen und Abstiegsängste gepaart mit Misstrauen gegenüber Staat und Politik sind - das wissen wir aus zahlreichen Studien - auch bundesweit in den Milieus der Mitte erkennbar. Aber die ganz konkrete Manifestation auf der Straße, das hat auch mit Dresden im Speziellen zu tun, mit den spezifischen Narrativen dieser Stadt, Stichwort 13. Februar. Also mit der Etablierung des Opfermythos rund um die Zerstörung der Stadt und ihre Instrumentalisierung. Und mit den Erfahrungen während der DDR-Zeit, der Prägung durch die Diktatur. Bis heute ist hier die zivilgesellschaftliche Gegenkultur hier weniger stark ausgeprägt.

Fehlt es in den Schulen an politischer und demokratischer Bildung?
Thomas Krüger.
Für Sachsen muss man leider sagen: Ja. Es gibt zwar das Fach GRW - Gemeinschaftskunde, Rechtserziehung, Wirtschaft -, in dem auch politische Bildung stattfindet. Dieses kann man aber nicht zum Leistungskurs wählen und politische Bildung hat in Sachsen die geringste Stundenzahl im Bundesvergleich, so eine Studie der Konrad Adenauer Stiftung.

Wie kann man Menschen die Angst vor dem Islam nehmen?
Thomas Krüger:
Die Alltagserfahrung spielt eine große Rolle dabei, ob man sich distanziert fühlt oder Angst hat vor bestimmten Phänomenen. Schüler gehen viel entspannter mit dem Islam um, weil sie muslimische Mitschüler jeden Tag erleben und sich mit ihnen austauschen. Das Entscheidende ist, mit politischer Bildung deutlich zu machen, dass sich die Gesellschaft ethnisch, kulturell und religiös verändert hat. Muslime dürfen dabei nicht auf ihre Religiosität reduziert werden. Muslime sind auch Lehrerinnen, Polizisten oder Geschäftsleute.

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