"Es fehlen 118 Milliarden Euro"

Berlin · Kommt jetzt der Aufbau West? Geht es nach den rot-grün regierten Bundesländern, wird der Soli nach 2019 in die Einkommens- und Körperschaftssteuer integriert, um so allen Kommunen zu Gute zu kommen. Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, begrüßt die Idee. Er fordert im Gespräch mit unserer Zeitung aber mehr.

Herr Landsberg, wie würden Sie die Lage vieler westdeutscher Kommunen beschreiben?
Gerd Landsberg:
Viele westdeutsche Kommunen sind hoch verschuldet, schieben einen Berg von Kassenkrediten vor sich her und haben deshalb keinen Spielraum, die notwendigen Investitionen in die Infrastruktur vorzunehmen. Ohne zusätzliche Mittel ist auch keine Besserung in Sicht, weil trotz aller Sparbemühungen die Sozialkosten ungebremst steigen. Natürlich gibt es - insbesondere im Süden Deutschlands - auch Städte und Gemeinden, denen es vergleichsweise gut geht. Insgesamt geht die Schere zwischen reichen und armen Kommunen immer weiter auseinander.

Und wie ist die Situation der Städte im Osten?
Gerd Landsberg: Die Städte und Gemeinden in Ostdeutschland sind im Durchschnitt deutlich weniger verschuldet, als die Städte und Gemeinden im Westen. Die Sozialkosten sind aber auch in Ostdeutschland eine erhebliche Belastung für die Städte und Gemeinden. Hinzu kommt, dass die Steuerkraft der ostdeutschen Kommunen deutlich niedriger ist als im Westen. Deswegen werden sie auch weiterhin Unterstützung brauchen.

Ist der Weg richtig, den Soli in die Einkommens- und Körperschaftsteuer zu integrieren?
Gerd Landsberg: Es ist richtig, Hilfen für die Kommunen nicht nach Himmelsrichtung, sondern nach Bedarf zu organisieren. Der Bedarf ist in Ost- und Westdeutschland auf der kommunalen Ebene groß und deshalb gibt es keine Spielräume für Steuerentlastungen oder die Abschaffung des Solis. Die Integration des Solis in die Einkommens- und Körperschaftssteuer käme auch den Kommunen in ganz Deutschland zu Gute, da sie an der Einkommenssteuer beteiligt sind.

Aber reichen wird das nicht. Wie groß ist der tatsächliche Finanzbedarf der Städte?
Gerd Landsberg: Nach einer Auswertung der KfW-Bankengruppe haben die Städte und Gemeinden einen Nachholbedarf bei Straßen, Wegen, Plätzen, Schulen und anderen Gebäuden in Höhe von 118 Milliarden Euro. Wir brauchen ganz schnell zusätzliche Mittel, damit die Infrastruktur nicht weiter verfällt. Denn das ist nicht nur für die Bürgerinnen und Bürger ärgerlich, sondern eine Gefahr für den gesamten Wirtschaftsstandort Deutschland. Dringend muss insbesondere der Ausbau des flächendeckenden schnellen Internet beschleunigt werden. Das ist gerade für die vielen Mittelständler, die das Rückgrat unseres Wohlstandes bilden, unverzichtbar. Im übrigen müssen wir mit Reformen endlich den Weg vom Vater Staat zum Bürger-Staat finden, um den Sozialstaat zukunftsfest zu machen und die Kommunen weiter zu entlasten.

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