Von Autobahnen bis Heizungen Diese Änderungen hat die Ampel jetzt beschlossen

Nach dreitägigen Beratungen hat die Ampel-Koalition am Dienstagabend ein umfangreiches Maßnahmenpaket zur Durchsetzung der Klimaschutzziele und zur Planungsbeschleunigung in Deutschland vorgestellt. Was plant die Koalition, und wer hat sich durchgesetzt?

Foto: dpa/Michael Kappeler

Sie haben lange gerungen, nach gut 30 Stunden steht ein Papier zum Klimaschutz und zum schnelleren Ausbau der Energie- und Verkehrsinfrastruktur. „Das hat sich gelohnt“, sagt SPD-Chef Lars Klingbeil am Abend. Da lagen sehr viele Stunden Verhandlungen hinter den drei Parteien. Ob das alle so sehen? Kanzler Olaf Scholz (SPD) jedenfalls hat dem Vernehmen nach immer wieder um die verschiedenen Gruppen im Kanzleramt bemüht und den Ausgleich gesucht. Grünen-Parteichefin Ricarda Lang kündigte am Mittwochmorgen jedoch Nachbesserungs-Wünsche beim Klimaschutz an, da ist die Einigung erst gute 12 Stunden alt. Hier ein Überblick über die wichtigsten Punkte und darüber, was fehlt.

Klimaschutzgesetz

Bisher wird der jährliche Ausstoß an Treibhausgasen für die Wirtschaftsbereiche wie Energie, Industrie, Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft sowie Abfallwirtschaft und Sonstiges erhoben. Überschreitet ein Sektor die vereinbarten Jahresmengen, müssen die zuständigen Bundesministerien Sofortprogramme für mehr Klimaschutz ausarbeiten. Nachsteuern soll die Bundesregierung künftig erst, wenn die Daten in zwei aufeinanderfolgenden Jahren auf eine Verfehlung der Klimaziele für das Jahr 2030 hindeuten – und zwar für alle Sektoren zusammen. Damit wird es also möglich, von der Jahresfrist abzuweichen, eher Perspektiven in den Blick zu nehmen und bis zum Ziel der Klimaneutralität im Jahr 2045 mittelfristige Marken anzupeilen. Zudem sollen Sektoren, sollten sie ihre Ziele übererfüllen, anderen Sektoren mit schlechteren Bilanzen zugerechnet werden für ein stimmiges Gesamtergebnis der Bundesregierung. Umwelt- und Klimaschutzorganisationen sehen darin ein Aufweichen des Gesetzes.

Naturschutz

Neu und von Naturschutzorganisationen gefordert ist eine Maßnahme im Bereich sogenannter Ausgleichflächen, die bei Bauprojekten Pflicht sind. Das neue Vorgehen ist vor dem Hintergrund der wichtigen Planungsbeschleunigung entschieden worden. So soll der bisherige Grundsatz, wonach es als „Realkompensation“ für den Verlust von Naturflächen Kompensationen auf anderen Flächen geben muss, aufgeweicht werden. Stattdessen soll die Kompensation auch in Form einer Geldleistung erfolgen können. Damit sollen größere, zusammenhängende Biotop-Verbünde geschaffen werden können, organisiert in Verantwortung des Umweltministeriums. Dieser überregionale Ansatz soll die Wirksamkeit für den Natur- und Artenschutz erhöhen.

Autobahnausbau

Die Ampel-Koalition hat sich beim Straßenverkehr auf einen beschleunigten Infrastrukturausbau verständigt. Grünen-Chefin Ricarda Lang sprach von einer „begrenzten Anzahl von Straßen“, für die dies gelte. Es gibt 144 Autobahnprojekte die prioritär behandelt werden sollen, Engpassbeseitigungen und Lückenschlüsse sollen schnell umgesetzt werden. „Daher wird die Bundesregierung für eine eng begrenzte Zahl von besonders wichtigen Projekten und Teilprojekten zur Engpassbeseitigung das überragende öffentliche Interesse festschreiben“, heißt es in dem Beschlusspapier. Wirtschaftsverbände begrüßten die Beschlüsse dazu.

Flächen für Erneuerbare Energien

Um dem Klimaschutz Rechnung zu tragen beim Ausbau der Bundesfernstraßen, wollen die Ampel-Parteien mehr Flächen für erneuerbare Energien daran koppeln – etwa Solaranlagen. „Es soll kein Kilometer Autobahn mehr geplant werden, ohne die Möglichkeiten der Erzeugung erneuerbarer Energien auszuschöpfen. Bei Autobahnneubau wird für die Nutzung der Strecken zur Erzeugung erneuerbarer Energien gesorgt“, heißt es im Papier. Für den Ausbau erneuerbarer Energien sollen noch mehr Flächen zur Verfügung gestellt werden. Die Kommunen bekommen demnach mehr Spielraum, um Flächen auszuweisen.

Bahn-Finanzierung

Die Deutsche Bahn benötigt dem Papier zufolge zur Deckung des Investitionsbedarfs bis zum Jahre 2027 rund 45 Milliarden Euro. Das Geld dafür soll unter anderem aus der Erweiterung der Lkw-Maut um eine CO₂-Komponente kommen, die ab 2024 eingeführt wird. Die Maut greift dann zudem bereits für kleine Lkw ab 3,5 Tonnen. Damit erhalten auch Güterbahnen einen Vorteil im Vergleich zur Straße. 80 Prozent dieser Einnahmen werden laut Grünen-Chefin Ricarda Lang für die Schiene reserviert. Ausnahmen soll es bei der Maut etwa für Handwerker geben. Der Schienengüterverkehr soll bis 2030 einen Marktanteil von 25 Prozent erreichen. Nicht mehr erwähnt wird aber der Anspruch, die Verkehrsleistung im Schienenpersonenverkehr bis 2030 im Vergleich zu 2020 zu verdoppeln.

Synthetischen Kraftstoffe und Ladesäulen

Besonders der FDP liegt die Technologieoffenheit am Herzen, daher ist im Papier ein längerer Abschnitt für sogenannte E-Fuels enthalten, also CO₂-neutralen synthetischen Kraftstoffen. Im Steuerrecht sollen alle CO₂-neutralen Fahrzeuge gleich behandelt werden. Das Ziel von 15 Millionen vollelektrischen Fahrzeugen bis 2030 wird bekräftigt. Die Elektromobilität soll durch einen Ausbau der Ladesäuleninfrastruktur vorangebracht, Stromnetze entsprechend ausgebaut werden. Ebenfalls gefördert werden sollen der Rad- und Fußverkehr sowie emissionsfreie Busse.

Regeln für neue Heizungen

Vorgaben für neu eingebaute Heizungen sollen sicherstellen, dass auch dieser Bereich klimafreundlich umgestaltet wird. Im Grundsatz sollen ab 2024 neu eingebaute Heizungen zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden müssen, etwa durch den Einsatz einer Wärmepumpe. Möglich bleiben sollen aber beispielsweise auch Heizungen, die mit „grünem“ aus erneuerbaren Energien oder „blauem“ CO₂-neutral aus Erdgas gewonnenem Wasserstoff oder mit Biomasse betrieben werden. Vorgaben zum Austausch alter fossiler Heizungen blieben unklar.

Haushalt

Die beschlossenen Maßnahmen sollen keine zusätzlichen Kosten im Bundeshaushalt verursachen. Möglich sein soll das durch das Heranziehen des Klima- und Transformationsfonds sowie der Lkw-Maut und der Einnahmen aus dem Emissionshandel. Allerdings ist nach dem Streit auch vor dem Streit. Von Eckwerten des Haushalts spricht gerade keiner mehr. Den Kabinettsbeschluss muss es im Juni geben, der Bundesfinanzminister hat mehrfach gesagt, dass es keinen Euro für Mehrausgaben geben wird. Streit mit seinen Ressortkollegen ist für Lindner also vorprogrammiert.

Was noch fehlt

Herbe Kritik gab es, weil die Koalition nicht über die geplante Kindergrundsicherung gesprochen hat. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bat um Verständnis. „Wir haben auch noch viele andere Reformvorhaben, denn es gibt einen großen Reformstau in Deutschland“, sagte Scholz am Mittwoch in der Regierungsbefragung im Bundestag. Die Ampel-Parteien hätten aber das Projekt Kindergrundsicherung im Koalitionsvertrag festgeschrieben und würden es auch umsetzen: „Das ist das gemeinsame Projekt der Koalition“, beteuerte Scholz.