Engstirnigkeit bedroht den Investitionsplan

Berlin · Jean-Claude Juncker will Europa mit Investitionen von 315 Milliarden auf die Beine helfen. Was könnte das Geld bewirken. Darüber sprach SZ-Korrespondent Stefan Vetter mit dem Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther.

Herr Hüther, was lässt sich mit 315 Milliarden Euro anfangen?
Hüther: Man muss sich darauf konzentrieren, was die einzelnen Länder allein nicht können, nämlich europäische Netze zu schaffen im Bereich Energie, des Verkehrs und der digitalen Infrastruktur. Jedenfalls macht es wenig Sinn, wenn die Länder jetzt Projekte nach Brüssel melden, die sie ohnehin vorhatten und die nun lediglich anders finanziert würden.

Genau diesen Verschiebebahnhof befürchten aber die Kritiker.
Hüther: Das einzig Positive wäre in diesem Fall, dass die Projekte wahrscheinlich schneller zustande kämen. Die Gefahr ist aber tatsächlich groß, dass der Juncker-Plan durch nationale Engstirnigkeiten entwertet wird. Denn jedes EU-Land hat ja nicht gemeldet, was man gern miteinander machen würde, sondern, was man gern bei sich hätte. Insofern waren diese Länderanfragen seitens der EU auch ein Fehler. Es wäre besser gewesen, Brüssel hätte von Anfang an eigene Vorgaben gemacht.

Ist der Plan geeignet, die Krise in Teilen Europas zu beenden?
Hüther: Man muss den Gesamtrahmen sehen. Die stark gesunkenen Preise für Öl und andere wichtige Rohstoffe sind ja schon eine Art Programm zu Verbesserung der europäischen Wachstumsaussichten. Der Juncker-Plan kann diesen Trend verstärken, wobei man seine Früchte nicht von heute auf morgen sehen wird.

Wie könnte speziell Deutschland davon profitieren?
Hüther: Deutschland könnte zum Beispiel durch den Ausbau der Grenzkoppelstellen im Energienetz erheblich von dem Investitionsplan profitieren. Das würde die Energiewende voran bringen. Auch die Anbindung an die europäischen Verkehrsnetze könnte sich beschleunigen, was für Deutschland als Exportnation ebenfalls ein Gewinn wäre.

Russland kämpft gerade mit einem rasanten Verfall seiner Währung. Wie gefährlich ist das für Europa?
Hüther: Auslöser der Rubel-Krise ist die Talfahrt beim Ölpreis. Die ökonomische Bedeutung Russlands ist aber aus europäischer Sicht überschaubar. Die Krise dort trifft einzelne Branchen wie etwa den Maschinebau, was zum Beispiel Betriebe in Sachsen zu spüren bekommen. Dabei geht es aber um wettbewerbsfähige Produkte, die auch auf anderen Märkten ihre Abnehmer finden dürften.

Nun will die EU die Sanktionen gegen Moskau wegen des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine beibehalten und womöglich sogar noch verschärfen. Ist das wirklich klug?
Hüther: Die ökonomische Bedeutung Russlands ist wie gesagt überschaubar. Die Frage ist aber, was eine wirtschaftliche Destabiliserung für das politische System in Russland bedeutet. Da liegt meines Erachtens die Gefahr. Denn wenn solche Krisen im Raum stehen, verunsichert das private Investoren. Und diese Verunsicherung kann sich auf ganz Europa übertragen.

Präsident Putin geht davon aus, dass die Krise in Russland spätestens in zwei Jahren vorbei ist. Was denken Sie?
Hüther: Da ist viel Gesundbeterei im Spiel. Die russische Wirtschaft steht auf tönernen Füßen. Es fehlt an Innovationskraft, und die Abhängigkeit von Rohstofferlösen ist sehr hoch. Kurzfristig könnte Putin nur bei den Ausgaben sparen, indem er Sozialleistungen streicht. Aber das ist politisch heikel für ihn. Ein schlüssiges Anti-Krisen-Konzept kann Putin nicht vorweisen.

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