IW-Studie: Energiepreise bleiben dauerhaft sehr hoch Deutscher Strombedarf steigt bis 2030 um ein Sechstel

Exklusiv | Berlin · Das industrienahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) sieht keine Alternative zur massiven Ausbau-Beschleunigung bei Wind- und Sonnenenergie: Gelinge das nicht in den kommenden Jahren, sei der Wirtschaftsstandort in ernster Gefahr. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ist laut einer unveröffentlichten Studie des Instituts grundsätzlich auf dem richtigen Kurs.

 Viel mehr Windkraft, viel mehr Stromleitungen: Anders werde Deutschland sein Energieproblem nicht lösen können, sagen Ökonomen.

Viel mehr Windkraft, viel mehr Stromleitungen: Anders werde Deutschland sein Energieproblem nicht lösen können, sagen Ökonomen.

Foto: dpa/Hauke-Christian Dittrich

Deutschland muss den Ausbau der erneuerbaren Energien und der dazu gehörigen Leitungsnetze ab sofort bis 2030 massiv beschleunigen, will es seine Industrie am Standort halten. Das geht aus einer noch unveröffentlichten Studie des industrienahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) hervor. Demnach wird der deutsche Erdgasverbrauch bis 2030 um rund 17,5 Prozent oder 136 Terra-Wattstunden gegenüber 2022 sinken. Im gleichen Umfang werde aber der Strombedarf steigen, da Unternehmen und Verbraucher ihren Verbrauch zunehmend elektrisieren müssten.

„Der angestrebte Erneuerbaren-Anteil von 80 Prozent bis 2030 bezieht sich demnach auf einen höheren Gesamtstromverbrauch, sodass das Ausbautempo von Wind- und Fotovoltaikanlagen deutlich an Fahrt aufnehmen muss“, schreiben die IW-Forscher Michael Hüther, Malte Küper, Thilo Schaefer. Hüther ist auch der Chef des Instituts. Das Ausbautempo müsse vor allem auch deshalb extrem zunehmen, damit die Energiekosten, die auf hohem Niveau verharren würden, für Unternehmen und Haushalte künftig nicht unfinanzierbar würden.

Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will den Ausbau der erneuerbaren Energien stark beschleunigen. Beim „Windgipfel“ vergangene Woche konnte er erste Erfolge verkünden, allerdings müsste sich das Ausbautempo vom bereits etwas gesteigerten Niveau aus noch einmal vervierfachen. Davon sind Bund und Länder derzeit noch weit entfernt. Weiterhin behindern der Personalmangel in den Genehmigungsbehörden, Probleme beim Schwerlast-Transport der großen Windrotoren, fehlende Flächen und Widerstände der örtlichen Bevölkerung einen schnelleren Ausbau der Wind- und Sonnenenergie. Die unionsgeführte Regierung unter der früheren Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte ihn über viele Jahre nicht ehrgeizig genug verfolgt.

„LNG ist im Schnitt der letzten Jahre teurer als Pipelinegas und der Weltmarkt bleibt angesichts der hohen Nachfrage insbesondere aus Asien auch in den nächsten Jahren angespannt. Absehbar ist deshalb nicht mit einer Rückkehr zu Vorkrisenpreisen zu rechnen“, schreiben die IW-Autoren. „Dadurch bleibt die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschland beeinträchtigt und die Brückentechnologie Erdgas wackelt. Der veränderte Preispfad erhöht den Transformationsdruck, den Gasverbrauch schneller als bisher vorgesehen zu reduzieren und Haushalten und Unternehmen möglichst zeitnah den Umstieg auf wettbewerbsfähige klimaneutrale Energieträger zu ermöglichen.“

Ein ,Weiter-so´ sei angesichts der deutlich verschlechterten Preislage bei fossilen Energieträgern keine Alternative, eine Übergangszeit von mehreren Jahren ohne Aussicht auf absehbar bessere Standortbedingungen für den unternehmerischen Investitionshorizont zu lang.

„Die breite und kostengünstige Verfügbarkeit erneuerbarer Energien und daraus erzeugter grüner Energieträger sind der Schlüssel dafür, dass die Brücke Erdgas kleiner dimensioniert werden kann als bisher geplant und dadurch neben der Energie- auch die Wärme- und Verkehrswende zum Erfolg geführt werden kann. Je schneller dies gelingt, desto eher ergeben sich profitable klimafreundliche Geschäftsmodelle, die ohne staatliche Unterstützung auskommen“, schreiben Hüther und Co. „Bis dahin sind staatliche Mittel mit größter Priorität beim Infrastrukturausbau gefragt.“

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