„Eine Überreaktion der Märkte“

Saarbrücken/Berlin · Der deutsche Außenhandel schwächelt. Im Juli brachen die Exporte um zehn Prozent ein. Zugleich sorgt die Insolvenz der südkoreanischen Reederei Hanjin für Unruhe an den Märkten. So sind die Preise für den Containertransport zwischen Asien und Nordeuropa um fast 40 Prozent gestiegen, zwischen Asien und den USA sogar um etwa 50 Prozent. Was bedeutet das für die deutschen Wirtschaftsaussichten? Darüber sprach unser Korrespondent Stefan Vetter mit dem Geschäftsführer des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), Gregor Wolf.

Herr Wolf, gemessen an den weltweit fahrenden Containerschiffen ist der Anteil von Hanjin sehr gering. Warum explodieren die Frachtpreise trotzdem?

Wolf: Ich gehe davon aus, dass wir es mit einer Überreaktion der Märkte aufgrund der vorübergehenden Verunsicherung zu tun haben, die sich wieder legen wird. Gegenwärtig ist die Situation so, dass deutsche Außenhändler, die Waren mit Hanjin verschifft haben, bei den Hafenbetreibern für das Löschen der Fracht bezahlen müssen. Im Normalfall wickeln die Händler das direkt mit den Reedern ab. Weil Hanjin aber pleite ist, halten sich die Hafenbetreiber jetzt an die Händler. Die müssen draufzahlen, denn die Kosten für das Löschen waren ja eigentlich schon in den Verträgen mit Hanjin eingepreist.

Lieferengpässe etwa von Waren aus Asien sind demnach also nicht zu befürchten, oder?

Wolf: Nein, die Händler kommen ja grundsätzlich weiter an ihre Waren heran, nur eben mit einem höheren finanziellen Aufwand.

Experten sehen in der Container-Schifffahrt das Adersystem der Weltwirtschaft. Könnte die Hanjin-Pleite zum Vorboten einer neuen Wirtschaftskrise werden?

Wolf: Nein, die Weltwirtschaft läuft doch ohnehin schon sehr mäßig. 64 Prozent der deutschen Exporte und 52 Prozent der Importe gehen über den Seeverkehr. Das ist ein sehr hoher Anteil. Aber es gibt große Überkapazitäten bei Container-Schiffen. Das rührt daher, dass die Nachfrage nach Waren in und aus den Schwellen- und Entwicklungsländern schwach ist. Was die Preise angeht, so würden die nachhaltig steigen, wenn es zu einem großen Abbau der Container-Kapazitäten käme oder zu einer erhöhten Inanspruchnahme dieser Kapazitäten. Beides ist nicht gegeben.

Auch die Pleite von Hanjin tut da nichts zur Sache?

Wolf: Betriebswirtschaftlich kann das natürlich für manche Unternehmen zum Problem werden. Auch deutsche. Aber volkswirtschaftlich betrachtet ist diese Pleite eher zu vernachlässigen. Es müsste schon deutlich mehr passieren, bis sich der Anstieg der Frachtkosten auf die Produktpreise niederschlägt. Um es konkret zu machen: Ein Handy aus China wird nicht teurer, nur weil sich über Nacht seine Transportkosten erhöht haben.

Bislang war der Außenhandel immer das Zugpferd Nummer Eins der deutschen Wirtschaft. Wird das auch in Zukunft so bleiben?

Wolf: Die Verflechtungen in der Weltwirtschaft werden weiter zunehmen. Hier hat Deutschland nach wie vor beste Karten. Ich sehe keinen Grund, warum sich das ändern soll.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort