„Eine Brücke für die EU“

Athen · Nach Einschätzung von Gustav Horn, Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung in Düsseldorf, hat das Wahlergebnis in Griechenland der EU eine Brücke gebaut, um mit Athen über eine zeitliche Streckung der Sparauflagen zu verhandeln. Mit Horn sprach unser Berliner Korrespondent Stefan Vetter:

Herr Horn, in Griechenland haben die Sparbefürworter die Wahl gewonnen. Was bedeutet das für den Euro?
Gustav Horn: Der Euro ist insofern sicherer geworden, als der Zusammenbruch des Landes beziehungsweise sein Austritt aus der Euro-Zone unwahrscheinlicher geworden ist.

Skeptiker meinen, der Austritt der Hellenen aus dem Euro-Raum werde sich durch den Wahlausgang nur verzögern.
Gustav Horn: Diese These teile ich nicht. Der Euro-Verlust für die Griechen ist nicht unvermeidlich. Wir müssen aber begreifen, dass es nicht nur um eine Krise Griechenlands geht, sondern um eine systemische Krise des Euro-Raums als Ganzes. Würden wir zum Beispiel die Europäische Zentralbank wieder Staatsanleihen von Krisenländern aufkaufen lassen, dann hätten wir sofort einen Beruhigungseffekt auf den Märkten, von dem auch Griechenland profitieren würde.

Aber das würde eine stärkere Vergemeinschaftung der Schulden und wachsende Inflationsgefahr bedeuten.
Gustav Horn: Indem eine gewisse Garantie der Zentralbank besteht, Staatsanleihen aufzukaufen, stabilisiert man das gesamte System. Schon die Ankündigung könnte vermutlich dazu führen, dass die Zentralbank praktisch gar nicht so sehr davon Gebrauch machen muss.

Die Bundesregierung hat noch einmal klar gestellt, dass an den Sparauflagen für Athen nicht gerüttelt wird. Zugleich verschärft sich dort aber auch die Rezession. Was tun?
Gustav Horn: Die Konsolidierung der griechischen Staatsfinanzen ist weiter oberstes Ziel. Athen kann sich nicht auf Dauer immer weiter verschulden. Aber der bisherige Kurs dafür ist ganz offenkundig gescheitert. Als Ausweg bleibt nur eine zeitliche Streckung dieser Konsolidierung. Das Wahlergebnis gibt den EU-Staaten die Möglichkeit, diese Brücke zu beschreiten und mit Athen darüber zu verhandeln.

Was heißt zeitliche Streckung konkret?
Gustav Horn: Die von der EU vorgeschriebene Ausgabenkürzung muss über einen längeren Zeitraum stattfinden als ursprünglich festgelegt. Ebenso der Abbau der Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst. Aber das kann nur die eine Seite der Medaille sein. Notwendig ist auch eine Beschleunigung der griechischen Aktivitäten. Zum Beispiel beim Aufbau eines wirksamen Steuervollzugs. Die institutionellen Veränderungen müssen schneller gehen, die Sparbemühungen langsamer, um die Wirtschaft zu schonen.

Die Eintreibung der Steuern ist in Griechenland schon länger ein Problem. Warum sollte es plötzlich jetzt klappen?
Gustav Horn: Weil es im ureigensten Interesse der Griechen liegt. Es ist doch keine angenehme Situation, international praktisch nur als Bittsteller wahrgenommen zu werden. Insofern ist es geradezu zwingend, die griechische Einnahmebasis auf Vordermann zu bringen. Nur so kann die dortige Regierung in Zukunft auch wieder angemessen wirtschaften.

Wagen Sie eine Prognose für Griechenland?
Gustav Horn: Griechenland ist noch lange nicht über den Berg. Es hat einen Jahre langen Anpassungsprozess vor sich, der aber so gestaltet werden muss, dass die dortige Wirtschaft nicht zusammenbricht. Genau daran hat es in der Vergangenheit gemangelt.

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