Am Montag wird der Verkehr bundesweit lahmgelegt Ein Streik, den das Land gerade jetzt nicht braucht
Meinung | Berlin · Die große Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und die kleine, aber mächtige Eisenbahngewerkschaft EVG legen am Montag gemeinsam fast den kompletten Verkehr in Deutschland lahm. Einen so umfassenden Streik hat es in Deutschland selten gegeben, doch die Zeiten haben sich offenbar grundlegend geändert: Angesichts hoher Beschäftigung und zunehmendem Arbeitskräftemangel haben die Gewerkschaften im Kräftemessen mit der Arbeitgeberseite Selbstbewusstsein gewonnen und Skrupel verloren.
Arbeitskämpfe dieser Härte wird es in Deutschland künftig häufiger geben.
Die hohe Inflation treibt die Verdi-Mitglieder mit ihren sicheren Arbeitsplätzen seit Monaten auf die Straßen. Die Beschäftigten nicht nur in diesen Branchen haben spürbare Reallohnverluste hinnehmen müssen, weil die bisherigen Lohnerhöhungen die Kaufkraftverluste durch die Teuerung nicht wettmachten.
So verständlich also die Forderung nach deutlich mehr Geld ist, so überzogen und verfrüht ist jedoch dieser Mega-Streik zu diesem Zeitpunkt. Denn in Potsdam beginnt genau an diesem Streik-Montag die dritte Tarifrunde für die 2,5 Millionen Beschäftigten bei Bund und Kommunen. Diese Runde hätte Verdi abwarten können und müssen.
Nun soll der Staat – und damit die Steuerzahler – maximal erpresst werden. Je höher der Tarifabschluss am Ende ausfällt, desto knapper werden die Mittel im öffentlichen Haushalt für andere Pläne sein, etwa für die Kindergrundsicherung im Kampf gegen Kinderarmut oder den sozialen Ausgleich für mehr Klimaschutz. Hinzu kommen die streikbedingten wirtschaftlichen Verluste in einer Zeit, in der die deutsche Wirtschaft ihre Winter-Rezession nur schwer überwindet und in diesem Jahr wohl stagnieren wird.