Häusliche Gewalt Wenn Frauen zu Opfern werden

Berlin · Partnerschaftsgewalt hat „schockierende“ Ausmaße, befindet die Familienministerin – und will mehr dagegen tun.

 Eine Frau steht am Fenster eines Frauenhauses. Damit mehr solcher Einrichtungen für Opfer häuslicher Gewalt gebaut werden, will die Bundesregierung 120 Millionen Euro investieren.

Eine Frau steht am Fenster eines Frauenhauses. Damit mehr solcher Einrichtungen für Opfer häuslicher Gewalt gebaut werden, will die Bundesregierung 120 Millionen Euro investieren.

Foto: dpa/Peter Steffen

Manchmal hören die Beraterinnen der Hilfe-Hotline 08000 116 016 im Hintergrund den schreienden Ehemann. Es gebe Fälle, da rufen Frauen in akuten Notsituationen an, sagt Petra Söchting, die Leiterin des Hilfetelefons „Gewalt gegen Frauen“. Oft sind es aber auch Nachbarn oder Kollegen, die die Nummer wählen, weil irgendetwas bei der Familie nebenan nicht stimmt oder eine Kollegin, die sich gerade getrennt hat, von ihrem Ex gestalkt oder sogar bedroht wird.

80 speziell geschulte Beraterinnen arbeiten bei der bundesweiten Hotline. Sie hören zu, geben Tipps, an wen sich Betroffene wenden können – in 17 Sprachen, rund um die Uhr. Die Mitarbeiterinnen stellen auch Kontakt zu Frauenhäusern her oder schalten auf Wunsch die Polizei ein.

Die Fallzahlen des Bundeskriminalamts zur sogenannten Partnerschaftsgewalt in Deutschland nennt Familienministerin Franziska Giffey (SPD) am Montag „schockierend“: 140 755 Menschen wurden 2018 von ihrem Partner oder Ex-Partner genötigt, bedroht, geschlagen, vergewaltigt oder anders psychisch oder physisch angegriffen. Es gab mehr als 400 Fälle versuchten oder vollendeten Mordes und Totschlags. 122 Frauen wurden getötet oder starben an den Folgen von Körperverletzung.

Es trifft zwar fast immer Frauen, aber nicht nur: Auch gut 26 000 Männer wurden 2018 angegriffen oder waren Psychoterror ausgesetzt. Die Dunkelziffer ist wohl deutlich höher, sagen Experten.

Das ist auch das Problem der BKA-Auswertung: Sie zeigen nur angezeigte Taten beziehungsweise die, bei denen es zu Ermittlungen kam. In Wirklichkeit sind es aber viel mehr, heißt es. Giffey geht sogar davon aus, dass „jeder von uns Betroffene im Umfeld hat“. Im Schnitt werde pro Stunde mehr als eine Frau Opfer partnerschaftlicher Gewalt.

Selten fange die Gewalt gleich am Anfang einer Beziehung an, berichtet Petra Söchting vom Hilfetelefon. Es entwickle sich stattdessen oft über die Jahre eine Gewaltspirale. Am meisten passiere dann in der „Rushhour des Lebens“ zwischen 30 und 40, sagt Giffey.

Und woher kommen Täter und Opfer? Bei der Pressekonferenz im Familienministerium wird auch gefragt, welche Rolle die Zuwanderung dabei spiele. Ja, es kämen auch Menschen mit Frauen- und Familienbildern und Rollenbildern nach Deutschland, die nichts mit einer gewaltfreien Beziehung zu tun hätten. Darüber könne sie aus ihrer Zeit als Bezirksbürgermeisterin von Berlin-Neukölln „blumenreich“ berichten, sagt Giffey. „Aber die Mehrheit der Täter hat die deutsche Staatsangehörigkeit. (...) Die Gewalt geht durch alle sozialen Schichten und alle ethnischen Gruppen“.

Nun will der Bund die Länder mit 120 Millionen Euro unterstützen, damit mehr Frauenhäuser gebaut werden. Von diesen Zufluchtsorten gibt es rund 350 in Deutschland. Viel zu wenige, kritisiert die frauenpolitische Sprecherin der Grünen, Ulle Schauws. Seit Jahren seien Frauenhäuser unterfinanziert und müssten Frauen in Not abweisen. Die Grünen fordern einen Rechtsanspruch auf einen Platz für betroffene Frauen. Die Idee findet auch Giffey gut. Macht aber im Moment keine Hoffnung auf eine baldige Umsetzung, da es einfach noch nicht genügend Plätze in den Frauenhäusern gebe.

 ARCHIV - 20.06.2019, Berlin: Franziska Giffey (SPD), Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, nimmt an der Gedenkstunde zum Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung teil. (zu "Jeder 2. Berliner für Giffey als Bürgermeisterkandidatin") Foto: Kay Nietfeld/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

ARCHIV - 20.06.2019, Berlin: Franziska Giffey (SPD), Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, nimmt an der Gedenkstunde zum Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung teil. (zu "Jeder 2. Berliner für Giffey als Bürgermeisterkandidatin") Foto: Kay Nietfeld/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Gewalt gegen Frauen ist ein weltweites Problem. In vielen Städten – auch in Deutschland – wurden zum Internationalen Aktionstag am Montagabend Gebäude orange angeleuchtet. Die Uno hatte dazu aufgerufen. Orange stehe für eine hellere Zukunft ohne Gewalt.

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