EuGH urteilt Die Pkw-Maut muss die letzte Hürde nehmen

Luxemburg/Saarbrücken · Trotz großer Bedenken, gerade auch aus dem Saarland, könnte die Straßennutzungsgebühr 2020 kommen – wenn der Europäische Gerichtshof am Dienstag mitspielt.

Sie ist das Herzensprojekt der CSU und soll im kommenden Jahr kommen: die deutsche Pkw-Maut. Zuvor muss sie aber noch die entscheidende Hürde nehmen: Am Dienstag wird der Europäische Gerichtshof (EuGH) sein Urteil über das umstrittene Projekt fällen. Österreich hatte vor dem höchsten EU-Gericht geklagt und argumentiert, dass die Abgabe mit den europäischen Verträgen nicht vereinbar sei, weil Österreicher und alle anderen EU-Bürger außer den Deutschen benachteiligt würden. Damit würde Deutschland gegen das Diskriminierungsverbot von EU-Bürgern verstoßen. Österreich wurde bei der Klage von den Niederlanden unterstützt.

Es ist keineswegs sicher, dass der EuGH die deutsche Maut durchwinken wird – allerdings spricht einiges dafür. So machte ein wichtiger Gutachter am Gericht, der Generalanwalt, Anfang Februar keine europarechtlichen Bedenken gegen die von der Bundesregierung geplanten Pkw-Maut geltend. Damit legt der Generalanwalt dem Gerichtshof nahe, die Vertragsverletzungsklage der Österreicher abzuweisen. Die Richter am EuGH sind nicht an das Gutachten gebunden. Meist kommen sie aber zum gleichen Ergebnis wie der Generalanwalt.

Bei grünem Licht aus Luxemburg will Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) ab Oktober 2020 die Maut erheben. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Im vergangenen Jahr hat der Bund Verträge geschlossen, die die Erhebung und die Kontrolle der Pkw-Maut regeln sollen.

Die Pläne, mit denen die CSU maßgeblich ihren Bundestagswahlkampf 2013 bestritten hat, sehen vor, dass alle Autofahrer eine Benutzungsgebühr auf Fernstraßen zahlen. Die Autofahrer sollen sich Vignetten kaufen. Bei ausländischen Fahrzeugen werden neben der Jahresvignette auch Zehntages- und Zweimonatsvignetten angeboten. Bei Autos, die in Deutschland zugelassen sind, soll der Halter im Gegenzug eine Gutschrift bei der Kfz-Steuer bekommen. So sollen die Kosten für deutsche Fahrzeughalter komplett ausgeglichen werden. Gegen diese Privilegierung inländischer Halter hatten Österreich und die Niederlande protestiert. Der Generalanwalt war aber zu dem Schluss gekommen, dass Österreichs Argument von der Diskriminierung von EU-Ausländern in Deutschland auf einem „grundlegenden Missverständnis“ beruhe. Ausländische und deutsche Fahrzeughalter könnten nicht miteinander verglichen werden, da ausländische Fahrzeughalter niemals verpflichtet würden, deutsche Kraftfahrzeugsteuer zu zahlen.

Jeder deutsche Halter eines Pkw oder Wohnmobils muss künftig die Maut im Voraus jeweils für ein Jahr entrichten. Danach wird die Fahrberechtigung auf Fernstraßen, die geknüpft ist an das Kennzeichen, vom System freigeschaltet. Der Preis der elektronischen Vignette richtet sich beim Pkw nach dem Hubraum und den Umwelteigenschaften. Je angefangene 100 ccm Hubraum ist der Vignetten-Preis gestaffelt. Bei Wohnmobilen geht es nach dem Gewicht. Maximal werden 130 Euro im Jahr fällig. Diesen Betrag müssen auch Fahrzeuge mit Oldtimerkennzeichen zahlen. Im Gegenzug ermäßigt sich die Kfz-Steuer um den gleichen Betrag. Halter bereits zugelassener Fahrzeuge bekommen den Bescheid ab dem Start der Maut automatisch von den Behörden zugeschickt und müssen den Betrag entrichten. Bei der Neuzulassung eines Fahrzeuges muss künftig die Maut mit der Kfz-Steuer gezahlt werden.

Ausländische Fahrzeughalter müssen nur für die Benutzung von Autobahnen zahlen. Sie können wählen zwischen einer Vignette für zehn Tage, zwei Monaten und einem Jahr. Die Vignetten sind dann im Internet, über eine App am Handy oder über eine Bezahlstation vor Ort erhältlich. Auch bei ausländischen Fahrzeugen richtet sich die Höhe der Maut nach den Umwelteigenschaften, die der Fahrzeughalter beim Erwerb der Vignette eingeben muss. Wenn er dabei schummelt, drohen Bußgelder.

Der Reinerlös aus der Maut soll in den Straßenbau fließen. Der Bund rechnet mit 3,85 Milliarden Euro Umsatz, drei Milliarden davon kommen von deutschen Fahrzeughaltern, die über die Kfz-Steuer ausgeglichen werden. 845 Millionen sollen von ausländischen Fahrzeughaltern kommen. Die Kosten für Erhebung und Kontrolle sollen bei 245 Millionen Euro liegen. Demnach könnten 600 Millionen Euro in den Straßenbau fließen.

Politisch ist die Pkw-Maut hoch umstritten. Denn gemessen an den bescheidenen Erträgen ist der bürokratische Aufwand groß. Das ist allerdings nicht der einzige Kritikpunkt: „Wenn die Maut kommt, wäre das eine Belastung für Grenzregionen wie das Saarland“, sagte nach dem Gutachten im Februar Saar-Verkehrsministerin Anke Rehlinger (SPD). Ähnlich äußerte sich auch die Wirtschaft: Nach der Empfehlung des Generalanwalts, die Klage Österreichs gegen die Abgabe abzuweisen, sprach Carsten Peter, Teamleiter für Verkehr bei der Industrie und Handelskammer (IHK) des Saarlandes, von einem „schlechten Tag für den grenzüberschreitenden Verkehr“. Die Maut werde vermutlich nicht wenige Franzosen und Luxemburger davon abhalten, zum Einkaufen ins grenznahe Saarland zu kommen. Bernd Wegner, Präsident der saarländischen Handwerkskammer, sprach sich vor diesem Hintergrund für Ausnahmen für Grenzregionen aus. Das lehnt die Bundesregierung bisher aber ab.

Auch die ökologische Lenkungswirkung der Abgabe wird kritisiert. Die Pkw-Maut, wie sie jetzt geplant ist, ist mit einer Flat-Rate vergleichbar: Jeder Nutzer zahlt gleich viel, egal ob er in dem gebuchten Zeitraum wenige Kilometer auf dem Netz unterwegs ist oder große Strecken zurücklegt. Eine echte Umstellung von der Steuer- auf die Nutzerfinanzierung wäre es aber, wenn kilometerscharf abgerechnet würde. Technisch wäre es möglich, dies auch ohne physische Mautstationen zu gewährleisten. Zudem könnte es Nachahmer zu geben. Sollte der EuGH grünes Licht für die deutsche Pkw-Maut geben, will Österreich, wo bereits eine Straßenbenutzungsgebühr erhoben wird, zusätzlich eine Ausländer-Maut nach deutschem Muster prüfen.

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