Die Linke will sich nach dem Wahldebakel neu aufstellen Mit Goethe als Mutmacher

Die Linke reißt die Fünf-Prozent-Hürde und kann wegen drei gewonnener Direktmandate trotzdem in den nächsten Bundestag wieder einziehen. Nun will sich die Partei neu aufstellen.

Suchen gemeinsam einen Weg aus der Misere der Linken: Janine Wissler, Dietmar Bartsch und Susanne Hennig-Wellsow (vorne)

Suchen gemeinsam einen Weg aus der Misere der Linken: Janine Wissler, Dietmar Bartsch und Susanne Hennig-Wellsow (vorne)

Foto: dpa/Bernd Von Jutrczenka

Die Nacht war lang und der Morgen begann entsprechend früh. Mit einem politischen Kater. Die Linke-Co-Vorsitzende Susanne Hennig-Wellsow ist gemeinsam mit Dietmar Bartsch und Janine Wissler, dem Spitzenduo dieser Bundestagswahl, in Berlin angetreten, ein Ergebnis zu erklären, das alle drei einigermaßen fassungslos sein lässt, mindestens jedoch frustriert hat. 4,9 Prozent im Bund bedeuten das Ausscheiden aus dem Bundestag. Eigentlich. Doch die Linke kann sich bei Susanne Lötzsch (Lichtenberg), Ex-Frontmann Gregor Gysi (Treptow-Köpenick) und Sören Pellmann (Leipzig) bedanken, die alle drei in ihren Wahlkreisen jeweils das Direktmandat geholt hatten. Bartsch nennt die drei gewonnenen Direktmandate denn auch gleich die „Versicherung“ seiner Partei, im nächsten Bundestag wieder vertreten zu sein – wohl gemerkt in Fraktionsstärke mit allen Rechten und Vorzügen einer Fraktion. Und eben nicht als Gruppe mit reduzierten Rechten Der bisherige Fraktionschef Bartsch zitiert dazu aus der Geschäftsordnung des Bundestages: „Mindestens fünf Prozent der Abgeordneten bilden eine Fraktion.“ Und die Linke stelle – durch die drei Direktmandate plus die Zahl der Mandate aus ihrem Zweitstimmenergebnis von 4,9 Prozent – mehr als fünf Prozent der Abgeordneten im neuen Bundestag. Bartsch selbst hat in seinem Wahlkreis Rostock/Landkreis Rostock II das Direktmandat verpasst.

Hallo, wach! Oder auch: Was nun? Hennig-Wellsow verspricht an Tag eins nach dieser Bundestagswahl jedenfalls einen Lernprozess. „Das ist das letzte blaue Auge, das wir uns abgeholt haben“, sagt die Linke-Co-Vorsitzende. Mehr noch: „Das ist die letzte Chance, unsere Partei nach vorn zu entwickeln.“ Die Linke müsse Lehren aus diesem „schweren Schlag“ ziehen. Die kommenden vier Jahre müsse man nutzen, „um die Partei neu aufzustellen“. Schon an diesem Wochenende werde die Parteispitze Samstag und Sonntag in Klausur gehen, um über Konsequenzen zu beraten. Jemand aus dem Karl-Liebknecht-Haus sagt: „Wir sind mit zwei dunkelblauen Augen davongekommen.“ Ob die Linke ihre Delegierten bald zu einem Sonderparteitag mit Beratungen über einen geänderten Kurs einladen werde, ließen Hennig-Wellsow und Wissler offen. Die letzten Wochen des Wahlkampfes seien nicht das eigentliche Problem gewesen, geben sich Bartsch, Hennig-Wellsow und Wissler einig. Es sei ein „ganzes Puzzle“ an Gründen, das den Niedergang verursacht habe -- auch die jahrelange Zerstrittenheit. Mit der ehemaligen Bundestagsfraktionschefin Sahra Wagenknecht, die der Partei vorgeworfen hatte, sie agiere zu sehr als „Lifestyle-Linke“, sei man in Kontakt. Hennig-Wellsow hatte zuletzt Wagenknecht und ihren Ehemann Oskar Lafontaine zu einem gemeinsamen Wahlkampfauftritt in ihren Wahlkreis nach Weimar geholt. Hennig-Wellsow und Wissler, die seit Februar an der Parteispitze stehen, wollen die Linke jetzt auch „durch diesen Prozess führen“. „Das Schlechteste was wir jetzt machen könnten, (wäre) uns in dieser Situation vom Acker zu machen und zu sagen, jetzt macht mal“, betont Hennig-Wellsow.

Bartsch weiß neben allen Roten Socken auch um andere Vorbehalte, die die politische Konkurrenz gegen seine Partei in Umlauf gebracht habe, etwa auch in Thüringen, wo die Linke mit Bodo Ramelow ihren einzigen Ministerpräsidenten stellt. Bald werde es in Thüringen „weder Bananen noch Bratwürste“ mehr geben, hatte es geheißen. Ramelow selbst macht seiner Partei an diesem Montag der Wahlnachlese mit einem Satz von Johann Wolfgang von Goethe, einem berühmten Wahl-Thüringer, Mut: „Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen.“

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