Grüne Kein prima Klima

Meinung · Die Grünen sind mit glänzenden Umfragewerten gestartet, kommen jetzt aber trotz Hochwasser und Klimakrise nicht richtig in die Offensive. Die Ökopartei ist dabei, die Hoheit über eines ihrer Kernthemen verteidigen zu müssen

Wenn es stürmt, wenn tagelang Starkregen niedergeht, wenn Wälder brennen (und die Bundeswehr nicht gerade ein Moor in Brand geschossen hat), wenn über Wochen bei Hitzegraden Landwirte um ihre Ernte fürchten, dann haben die Grünen Konjunktur. Eigentlich. Doch in diesen Tagen und Wochen des Hochwassers ist vieles anders. Verrückte Welt sowieso. Auch parteipolitisch ist manches auf den Kopf gestellt. Die Grünen, einst mit einer Art Copyright auf ökologische Themen groß geworden, sind in der Rücklage, wo sie mit einiger Selbstverständlichkeit in der Offensive sein müssten. Jetzt wäre ihre Zeit…

Doch das Wetter macht, was es will. Ein wenig hat es auch die Grünen aus dem Tritt gebracht. Die ehemaligen Ökopaxe laufen einem ihrer Kernthemen vielleicht nicht hinterher, aber sie schaffen es derzeit auch nicht, darüber die Meinungs- und Deutungsführerschaft zu behaupten, obwohl sie die Kompetenz dafür haben. Klima- und Umweltpolitik gehören zu ihrem politischen Erbgut. Auf keinem anderen Politikfeld ist ihre Glaubwürdigkeit derart hoch wie hier. Und trotzdem ist die Partei, die mit glänzenden Umfragewerten in diesen Bundestagswahlkampf gestartet war, dabei, die Hoheit über eines ihrer Kernthemen verteidigen zu müssen.

 Die Wirklichkeit in einem Wahlkampf um das höchste Regierungsamt in Deutschland ist brutal. Umfragewerte sind schnell verbraucht. Wer wahrgenommen werden will, muss sich zeigen. Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder war im Bundestagswahlkampf 2002 im Hochwasser an der Elbe wahlentscheidend schneller auf dem Deich als Herausforderer Edmund Stoiber. Die Grünen haben in der Hochwasser-Katastrophe menschlich anständig, aber insgesamt zu langsam reagiert, auch wenn Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock eigens ihren Urlaub abgebrochen hat.

 Geschwindigkeit ist in dieser beschleunigten Gesellschaft längst mitausschlaggebend für politischen Erfolg. In Nordrhein-Westfalen sind die Grünen nicht Teil der Regierung, in Rheinland-Pfalz stellen sie mit Anne Spiegel eine Landesumweltministerin, die in der Ampelkoalition anerkannt ist, aber bundespolitisch keine Wirkung erzeugen kann. Das ist zu wenig, auch wenn die Grünen im Bund diese Woche gleich zwei Mal mit Impulspapieren versucht haben, ihren Fußabdruck bei Bevölkerungsschutz und Klimaschutz zu zeigen. Nächste Woche wollen sie Klima-Sofort-Programm vorlegen für die ersten 100 Tage einer Regierungsbeteiligung.

Es klingt irgendwie paradox: Aber das Klima treibt auch die Grünen vor sich her. Die Zeit läuft, weil sich das Fenster schließt, in dem die Erderwärmung noch eingedämmt werden kann. Den Klimaschutz-Anspruch behaupten derzeit alle Parteien gerne für sich. Das ist manchmal reichlich billig, bringt aber Stimmen. Die Grünen wollen ihren Abwärtstrend drehen und müssen sich dazu ausgerechnet in ihrem Kerngeschäft behaupten. Sie müssen derzeit feststellen: auch für sie kein prima Klima. 

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