Nachholfaktor bleibt ausgesetzt Trotz der Pandemie steigen die Renten künftig kräftig

Berlin · Die Corona-Pandemie ist auch ein Schlag ins Kontor der Rentner: Die Erhöhung ihrer gesetzlichen Altersbezüge fällt dieses Jahr aus. Dafür können sie 2022 mit einem satten Plus von fast fünf Prozent rechnen.

Die Corona-Pandemie lässt die Renten künftig kräftig steigen
Foto: dpa/Patrick Pleul

Möglich wird dieser Schub durch eine schon vor Jahren geänderte Berechnungsgrundlage, die zu Lasten der jüngeren Generation geht.

Wegen der guten wirtschaftlichen Entwicklung waren die Renten in den alten Bundesländern seit 2016 im Schnitt um 3,2 Prozent pro Jahr gestiegen. Im gleichen Zeitraum lag die Teuerungsrate dagegen nur bei durchschnittlich 1,14 Prozent pro Jahr. Unter dem Strich blieb für die rund 21 Millionen Ruheständler also ein spürbares Plus. Das ändert sich in diesem Jahr. Erstmals seit 2010 wird es im Juli nur eine Nullrunde bei den Renten geben. Grund ist die pandemiebedingt rückläufige Lohnentwicklung im vergangenen Jahr.

Weil die Renten grundsätzlich der Lohnentwicklung folgen, hätten sie in diesem Jahr eigentlich sogar gekürzt werden müssen. Doch davor schützt die gesetzliche Rentengarantie. Seit den Erfahrungen mit der internationalen Finanzkrise im Jahr 2009 gilt: Die Renten müssen auch bei schrumpfenden Löhnen stabil bleiben. Ab 2022 aber profitieren die Rentner noch von einer weiteren Gesetzesänderung, nämlich der Aussetzung des sogenannten Nachholfaktors bei der Rentenberechnung.

Bis 2018 wurden nicht realisierte Rentenkürzungen mit späteren Erhöhungen verrechnet. Fällige Rentensteigerungen fielen auf diese Weise jeweils nur halb so hoch aus. Die Rentner stotterten damit gewissermaßen die unterbliebene Kürzung ihre Bezüge so lange ab, bis diese ausgeglichen war. Nach der Finanzkrise war das ein Prozess über mehrere Jahre hinweg. Dieser Mechanismus sollte für eine Entlastung der Jüngeren, also Beitragszahler sorgen. Und dafür, dass die Entwicklung der Renten nicht der der Löhne davon galoppiert. Schon 2018 hatte die große Koalition diesen Mechanismus jedoch vor dem Hintergrund der Diskussion um das Rentenniveau ausgesetzt. Und zwar bis 2025.

Die Aussetzung des Nachholfaktors führt nun zu dem kuriosen Effekt, dass die Renten kräftig steigen, selbst wenn die Löhne nach der Pandemie nur wieder das Vorkrisenniveau erreichen. Denn durch den Abschwung werden die Altersbezüge nicht geschmälert, durch den Aufschwung aber spürbar gemehrt. Nach den Vorausberechnungen der Bundesregierung, nachzulesen im aktuellen Rentenversicherungsbericht vom vergangenen November, wird die Bruttorente Mitte 2022 um rund 4,8 Prozent steigen. Die Bruttorente für einen Durchschnittverdiener mit 45 Versicherungsjahren würde sich damit immerhin um 73 Euro auf 1612 Euro erhöhen. Für 2023 ergibt sich ein weiterer Schub um gut drei Prozent auf 1663 Euro.

Der Rentenexperte Axel Börsch-Supan vom Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik hatte kürzlich für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung jährliche Zusatzkosten von drei bis vier Milliarden Euro errechnet. Nach seinen Angaben würde sich der ausgesetzte Nachholfaktor bis 2050 auf fast 100 Milliarden Euro summieren. Die Deutsche Rentenversicherung wollte diese Zahlen auf Nachfrage allerdings nicht bestätigen. Die Bundesregierung indes will ohnehin an der geltenden Regelung festhalten. Einer Forderung der FDP nach umgehender Wiedereinführung des Nachholfaktors hatte der Bundestag schon Ende vergangenen Jahres mit großer Mehrheit eine Absage erteilt.

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