Geistige Brandstiftung Die AfD, der Antisemitismus und der Terror von Halle

Berlin · „Es ist die Hetze der AfD, die dem Rechtsextremismus eine politische Stimme gab“, erklärt der SPD-Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach nach dem Blutbad in Halle.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) verurteilt die „geistigen Brandstifter“ und sagt: „Da sind in letzter Zeit auch einige Vertreter der AfD in unverschämter Weise aufgefallen.“ Die AfD findet solche Äußerungen infam. Sie verweist darauf, dass ihre Spitzenpolitiker gegen antisemitische Übergriffe in der Vergangenheit oft Position bezogen haben. Das stimmt – besonders dann, wenn die mutmaßlichen Täter Muslime waren.

Wie die anderen im Bundestag vertretenen Parteien hat auch die AfD  die Tat von Halle scharf verurteilt. Anders als der Generalbundesanwalt spricht die Parteispitze in Bezug auf den Täter zwar von antisemitischem Terror, sie bezeichnet ihn aber nicht als „Rechtsextremisten“. Ein Zufall? Abraham Lehrer, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, weist nach dem Terroranschlag auf die Synagoge in einem Fernsehinterview auf eine „braune Grenze“ hin. Über die Politiker der AfD sagt er: „Dieses Tänzeln auf der Grenze und mit einem Fuß jenseits der Grenze stehen und aufpassen, dass man sich nicht strafrechtlich wirklich zu sehr beschädigt, das können die wunderbar.“

Zwar haben die Parteichefs Jörg Meuthen und Alexander Gauland Antisemitismus bei verschiedenen Gelegenheiten angeprangert. Beide gehören auch zu den Unterstützern eines seit Jahren anhängigen Parteiausschlussverfahrens gegen den baden-württembergischen Landtagsabgeordneten Wolfgang Gedeon wegen Antisemitismusvorwürfen.

Allerdings zeigt gerade der Fall des Attentäters von Halle, dass sich das Phänomen des Antisemitismus nicht so einfach von menschenfeindlichen Einstellungen gegenüber anderen Gruppen trennen lässt. Wie die von ihm im Internet verbreiteten Botschaften dokumentieren, bezog sich der Hass des Täters nicht nur auf Juden, sondern auch auf Muslime, linke „Antifa“-Aktivisten und Feministinnen.

Auf die Frage, wie der Staat in Zukunft rechtsterroristische Taten wie den Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke und die Attacke von Halle verhindern könne, antwortet die Vorsitzende der AfD-Bundestagfraktion, Alice Weidel: „Ich würde sagen: Extremistische Anschläge können nur durch polizeiliche Sicherungsmaßnahmen eingedämmt werden.“ Gefährdete Menschen und Gruppen müssten ernstgenommen und entsprechend geschützt werden.

Die von Politikern anderer Parteien aufgeworfene Frage, ob es in Deutschland womöglich einen politischen Diskurs gibt, der den Täter in seiner ideologischen Verblendung bestärkt haben könnte, spielt in den Einlassungen der AfD zu dem Terroranschlag von Halle dagegen keine Rolle. Der Berliner Politikwissenschaftler Hajo Funke ist sich dagegen sicher, dass da ein Zusammenhang besteht. Er sieht eine „Mitschuld“ der AfD für den rechten Terror und verweist dabei vor allem auf den sogenannten Trauermarsch von Chemnitz. In der sächsischen Stadt war im August vergangenen Jahres ein Mann erstochen wurden. Ein Syrer und ein Iraker wurden als Tatverdächtige ermittelt. AfD-Politiker wie Uwe Junge, Björn Höcke und Andreas Kalbitz gingen daraufhin am 1. September gemeinsam mit Hooligans und bekannten Rechtsextremisten auf die Straße. „Dass hier eine Bundestagspartei mit Rechtsextremisten zusammensteht, war ein Fanal mit weitreichenden Folgen“, sagt Funke.

AfD-Parteivize Georg Pazderski hält diese Theorie für falsch. Dennoch hat er sich damals entschieden, an dem Marsch in Chemnitz nicht teilzunehmen. Pazderski sagt, er glaube nicht, dass die Tötung von zwei Menschen in Halle in irgendeiner Form Auswirkungen auf die Landtagswahl in Thüringen am 27. Oktober haben werde. Dort ist Höcke, der Gründer des rechtsnationalen „Flügels“, Spitzenkandidat.

Höcke hatte 2017 mit der Forderung nach einer „erinnerungspolitischen Wende um 180 Grad“ für Empörung gesorgt. Eine interne Arbeitsgruppe will bei ihm mit Abstand die meisten „mehrdeutigen Aussagen, die klargestellt werden müssen“ entdeckt haben. In einem Gesprächsband, den Höcke 2018 veröffentlichte, erklärt er, eine „neue politische Führung wird dann schwere moralische Spannungen auszuhalten haben: Sie ist den Interessen der autochthonen Bevölkerung verpflichtet und muss aller Voraussicht nach Maßnahmen ergreifen, die ihrem eigentlichen moralischen Empfinden zuwider laufen“.

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