JU-Deutschlandtag in Saarbrücken Machtkampf und Polit-Party bei der JU

Saarbrücken · Klima-Speeddating, „Fan-Gesänge“, Disco am Abend – der Deutschlandtag der Jungen Union in der Saarbrücker Congresshalle hat sich am Wochenende als große Polit-Party präsentiert. Für rund 300 junge Delegierte aus ganz Deutschland kam der Spaß nicht zu kurz.

Deutschlandtag der Jungen Union in Saarbrücken
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Foto: dpa/Harald Tittel

Doch das kann keineswegs darüber hinwegtäuschen, dass bei der Tagung im Saarland auch ein brutaler Machtkampf innerhalb der Union ausgetragen wurde.

Am deutlichsten wird das am Freitagabend während der Rede von Friedrich Merz – der im vergangenen Jahr Annegret Kramp-Karrenbauer nur hauchdünn im Kampf um den CDU-Parteivorsitz unterlag. Der Ex-Fraktionsvorsitzende, dem Ambitionen auf die Kanzlerkandidatur nachgesagt werden, fährt einen heftigen Frontalangriff gegen Kramp-Karrenbauers Generalsekretär Paul Ziemiak. „Unter einem Generalsekretär Heiner Geißler wäre es nicht möglich gewesen, dass uns die politische Konkurrenz in dieser Art und Weise die politische Rhetorik abnimmt“, schleudert Merz dem anwesenden Ziemiak entgegen. Der Ex-Fraktionschef der Union stört sich am Begriff „Diesel-Skandal“, der von Umweltverbänden in den Sprachgebrauch eingeführt worden sei. Alle hätten diesen Ausdruck mehr oder weniger kritiklos übernommen. Dabei handele es sich in Wirklichkeit um einen „Betrugs-Skandal“. Der Begriff „Diesel-Skandal“ diskreditiere eine deutsche Technologie, die die mordernste sei auf der ganzen Welt und einen Beitrag für mehr Umweltschutz leisten könne.

Es ist die heftigste Attacke, die Merz während seiner Rede gegen Kramp-Karrenbauer und ihr Team fährt. Ansonsten geht er deutlich subtiler vor: Er spielt auf die Pannen an, die Kramp-Karrenbauer seit ihrem Amtsantritt unterlaufen sind „Es war klar, dass Annegret Kramp-Karrenbauer als Parteivorsitzende auch Fehler macht“, sagt Merz. Freilich nicht ohne hinzuzufügen: „Ich hätte auch Fehler gemacht, vielleicht sogar noch schwerwiegendere.“ „Nein!“, ruft jemand im Saal. „Doch!“, antwortet Merz ein wenig gönnerhaft. Und überhaupt stehe er zu seinem Versprechen, Kramp-Karrenbauer als Vorsitzende zu helfen – „uneingeschränkt“. Ansonsten streichelt Merz in seiner Rede die konservative Seele der Jungen Union. Bei der Grundrente pocht er auf eine „strikte Bedürftigkeitsprüfung“, die der Koalitionspartner SPD partout nicht will. Überhaupt geißelt er die „sozialdemokratische Umverteilungspolitik“. „Wir haben noch nie so viel Geld für den Sozialstaat ausgegeben wie im Jahr 2019“, sagt Merz. Trotzdem werde die Zahl der Gerechtigkeitslücken angeblich jeden Tag größer. „Was ist in diesem Lande eigentlich los?“, fragt Merz.

Die Reaktionen auf seine Rede im Saal sind geradezu euphorisch. Minutenlang singen die Delegierten im Saal „Oh wie ist das schön, sowas hat man lange nicht geseh‘n“. Die Atmosphäre gleicht der in einem Fußballstadion. Für die ohnehin angeschlagene CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer, die zur selben Zeit im Baltikum weilt, sind das bittere Momente. Die Beliebtheit ihres innerparteilichen Rivalen Merz ist ungebrochen. Allein die Tatsache, dass dieser noch kurzfristig zum Deutschlandtag eingeladen wurde und zwei Tage vor ihr reden darf, wird als Affront gegen die CDU-Chefin bewertet. Ebenso wie der Antrag, der am späten Freitagabend mit 170 zu 107 Stimmen angenommen wird. Er sieht eine Urwahl des Kanzlerkandidaten der Union vor. Damit würde die CDU-Vorsitzende ihr erstes Zugriffsrecht verlieren.

Natürlich versichert JU-Bundeschef Tilman Kuban bereits im Vorfeld der Abstimmung dass das alles kein Misstrauensvotum gegen Kramp-Karrenbauer sei. Überhaupt sei die Saarländerin die gewählte Vorsitzende, die natürlich „ein“ Zugriffsrecht habe. Und Kramp-Karrenbauer wird dann auch freundlich empfangen am Sonntag. Es gibt langanhaltenden, stehenden Applaus – wenn auch keine Fußballstadion-Atmossphäre wie bei Merz. Ihre Rede wird anschließend von vielen Delegierten gelobt. Vor allem das Bekenntnis zu einer besseren Ausstattung der Bundeswehr und zum Zwei-Prozent-Ziel bei den Verteidigungsausgaben gefällt dem Parteinachwuchs. Ebenso die Tatsache, dass Kramp-Karrenbauer der JU in der anschließenden Fragerunde verspricht, die Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft in nächste Wahlprogramm zu verankern.

Man werde „offen“ über die Möglichkeit einer Urwahl diskutieren, kündigt er bereits in seiner Eröffnungsrede an. Gesagt, getan: Die Debatte über die verschiedenen Anträge für eine Urwahl ist eine der wenigen Gelegenheiten auf diesem Deutschlandtag, bei der kontrovers über Inhalte diskutiert wird: Die Befürworter einer Urwahl plädieren etwa für einen Aufbruch an der Basis, für den Anspruch, die Menschen mitzunehmen, warnen vor einem „Weiter so“. Die Gegner dagegen mahnen, dass sich das repräsentative System in der Vergangenheit bewährt hat und sehen die SPD als warnendes Beispiel für zu viel Basis-Demokratie.

Neben den Anträgen zur Urwahl gibt es noch rund 500 weitere Vorstöße zu allen möglichen Politikfeldern von den Delegierten. Zumeist werden sie im Schweinsgalopp und ohne größere Aussprache abgehandelt – oft erfahren Außenstehende noch nicht einmal, um was es überhaupt geht. Die inhaltliche Debatte kommt an diesem Wochenende etwas kurz. Dazu passt, dass die Diskussion über den Klimaschutz am Samstag in einem sogenannten Speeddating abgehandelt wird. Hier diskutieren die Delegierten in Gruppen und kurzen Gesprächen reihum mit Umweltaktivisten, einer Vertreterin der Wirtschaft sowie Wirtschaftsminister Peter Altmaier. Der Leitantrag der JU zum Klimaschutz ist da freilich schon längst ausformuliert – ein 15-Punkte-Plan, der neue Impulse für die Klimapolitik liefern soll. Die JU fordert darin unter anderem die Ausweitung des europäischen Emissionshandels, eine progressive Kfz-Steuer, die die Fahrer ressourcenschonender Fahrzeuge belohnt sowie die Einrichtung von Forschungskohlekraftwerken zur Weiterentwicklung umweltschonender Technologien.

Insgesamt dominiert auf dem Deutschlandtag das Polit-Spektakel. Daran haben auch die Redner ihren Anteil. Und die sind ziemlich prominent. Nicht umsonst war im Vorfeld vom „Schaulaufen“ möglicher Kanzlerkandidaten die Rede. Neben Merz und Altmaier treten am Freitag und Samstag unter anderem auch CSU-Chef Markus Söder, Gesundheitsminister Jens Spahn, NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, Saar-Regierungschef Tobias Hans und der thüringische CDU-Spitzenkandidat Mike Mohring auf. Dazwischen noch der so hart attackierte Ziemiak, der am Samstagnachmittag demonstrativ so ziemlich alle seine Vorredner lobt – nur Merz mit keinem einzigen Wort erwähnt.

Söder teilt derweil kräftig gegen den politischen Gegner aus. „Die Grünen überdrehen und werden maßlos“, sagt der bayerische Ministerpräsident. In der Klimapolitik fehle ihnen die soziale Verantwortung. Der AfD warf er vor, dass ein Teil ihrer Funktionäre „zurück in die 30er Jahre“ wolle. Die Partei sei auf dem Weg, „die neue NPD in Deutschland zu werden“.

Etwas sachlicher tritt Spahn auf, der bislang immer der Liebling der JU war – dieses Mal aber nicht so frenetisch gefeiert wird wie Merz. Der Gesundheitsminister warnt vor innerparteilichem Streit: „Der politische Gegner steht woanders und nicht in der eigenen Partei.“ Man dürfe das Land nicht den „linken Ideologen zu überlassen“. Stattdessen müsse man aus einer „lebensklugen Mitte“ über die Zukunft entscheiden.

Die kämpferischste Rede hält ohne Zweifel der JU-Chef selbst. Kuban haut bereits am Freitagabend kräftig auf den Putz. Er wettert gegen die „Berliner Blase“, die nur noch ein einziges Thema bespielt – den Klimaschutz. Das Thema sei ja auch wichtig. „Es soll in diesem Land aber auch noch Leute geben, die im Sommer den Grill anwerfen, die Tag für Tag zu Arbeit pendeln und im Sommer in den Urlaub nach Malle fliegen.“ Da stimmen die Delegierten spontan den Party-Hit von Peter Wackel an: „Scheiß darauf, Malle ist nur einmal im Jahr.“

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