Deutsch-Polnischer Bahngipfel Schnell nach Westen, zu langsam nach Osten

Im historischen Kaiserbahnhof in Potsdam sprechen Deutschland und Polen über die Frage, wie sie den Schienenverkehr zwischen beiden Länder besser auf die Spur bringen können. Womöglich hätte dies auch Auswirkung für mehr Tempo beim Nachschub für die Ukraine. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer kritisiert den Bund und die Planer in Bonn: in Richtung Osten passiere viel zu wenig

Plädieren für bessere Zugverbindungen Richtung Osteuropa: Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (li) und Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke

Plädieren für bessere Zugverbindungen Richtung Osteuropa: Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (li) und Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke

Foto: dpa/Robert Michael

Die Kulisse passt zum Thema: Deutsch-polnischer Bahngipfel im historischen Kaiserbahnhof in Potsdam. Ein Gleisstück von der Eröffnungsfahrt der ersten deutschen Eisenbahn zwischen Nürnberg und Fürth vom Dezember 1835 ist hier verlegt und unter Glas für die Nachwelt zu besichtigen. Doch gleich geht es hier mindestens um „Deutschland-Geschwindigkeit“ im Jahr 2023, vor allem aber darum, wie die beiden Nachbarn Deutschland und Polen beim Schienenverkehr noch enger zusammenwachsen können. Dietmar Woidke kennt die Bahnpassage nach Polen nur zu gut. Der Ministerpräsident von Brandenburg ist in der Nähe von Forst geboren, von dort ist es nicht mehr weit nach Polen. Jetzt wirbt er mit dem Koordinator für die deutsch-polnische Zusammenarbeit, Dietmar Nietan, beim bilateralen Bahngipfel in Potsdam für noch schnelleren grenzüberschreitenden Verkehr auf der Schiene. Deutschland ist zentrales Transitland für Verkehr in Europa. Nachbar Polen wiederum ist in diesen Monaten noch wichtiger als sonst, weil über das polnische Schienennetz Nachschub, Hilfe und schweres Gerät zur Unterstützung der Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg transportiert wird. Je stabiler das Bahnnetz, umso schneller kommt die Versorgung auch dort an.

Verkehrsstaatssekretär Michael Theurer und sein polnischer Amtskollege Andrzej Bittel betonen bei diesem mittlerweile 5. deutsch-polnischen Bahngipfel die Unterstützung beider Länder für die Ukraine. Sowohl die deutsche wie auch die polnische Bahn habe „seit Beginn des brutalen russischen Angriffskrieges“ Hunderttausende Flüchtlinge aus der Ukraine nach Polen oder Deutschland gebracht, ebenso tonnenweise Hilfsgüter in das angegriffene Land und inzwischen auch Getreide aus ukrainischen Häfen für den Weltmarkt. Ob das Tempo der Hilfe für die Ukraine angesichts einer drohenden russischen Frühjahrsoffensive ausreiche? Theurer verweist darauf, dass Deutschland und der Westen schon mit Beginn des Angriffskrieges Energielieferungen an die Ukraine eine „Priorität“ auf dem Schienenweg eingeräumt habe. Ähnliches gelte für den Transport von militärischem Gerät in das Land, wo etwa Nato-Transporten auf dem Schienenweg bei Dringlichkeit gleichfalls eine „Priorität“ vor dem regulären Bahnverkehr eingeräumt werden könne. Brandenburgs Ministerpräsident Woidke will wegen der Sensibilität solcher Transporte nicht öffentlich darüber spekulieren, auf welchem Weg etwa „Leopard“-Panzer in die Ukraine gelangen. Ebenso wenig will sich der SPD-Politiker dazu äußern, ob das Tempo der Unterstützung über den deutsch-polnischen Schienenweg für die Ukraine aktuell hoch genug sei. Der polnische Verkehrsstaatssekretär Bittel beruhigt: „Wir liefern die Güter, die unsere Freunde in der Ukraine brauchen.“

Deutschlands Koordinator Nietan betont anschließend, „beide Länder in der Mitte Europas“ rückten mit dem Tag dieses fünften bilateralen Bahngipfels enger zusammen. Unterstützung für die Ukraine wie auch der Kampf gegen den Klimawandel durch den Verkehrsträger Bahn seien von „zentraler Bedeutung“. Sein Amtskollege auf polnischer Seite, Bartosz Grodecki, erklärt, die polnische Eisenbahn PKP habe im polnisch-ukrainischen Grenzgebiet im vergangenen Jahr Rekordumsätze gemacht.

Die Deutsche Bahn verweist darauf, dass sie rund 500 000 Menschen aus der Ukraine auf dem Schienenweg in Sicherheit gebracht habe. Der Ausbau zentraler Trassen gehe weiter. Auf der Fernverkehrslinie Berlin-Posen-Warschau etwa verkehrten ab Juni dieses Jahres sechs Zugpaare täglich in Zwei-Stunden-Takt.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), der gleichfalls bei diesem deutsch-polnischen Bahngipfel dabei ist, ärgert sich, dass „in Richtung Westen“ bei Hochgeschwindigkeitsverbindungen „unglaublich viel passiert“, aber „in Richtung Osten“ zu wenig. „Wir erleben eine Grenzregion, die drängelt.“ Polen frage zu Recht: „Wo ist der Anschluss aus Deutschland? Wo ist der Fahrplan?“ Warum komme die Verbindung „Berlin-Cottbus-Görlitz weiter nach Osteuropa“ nicht voran? Kretschmer kritisiert die Eisenbahn-Planer, „die in Bonn sitzen, weit, weit weg, und nicht hier vor Ort“. Auch dies sei ein Zeichen, „warum die Sachen nicht funktionieren.“ Der sächsische Regierungschef kritisiert den Bund: „Wir erwarten, dass eine Bundesregierung so etwas auch realisiert.“

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