Corona-Politik Der schwierige Weg in den Corona-Frühling

München/Berlin · Zwischen dritter Welle und Lockdown-Frust – so lautet die Ausgangslage vor dem nächsten Bund-Länder-Gipfel. Sind neue Lockerungen realistisch?

  Die Sonne zieht die Menschen nach dem langen Corona-Winter ins Freie, wie hier in Köln. Der Ruf nach Lockerungen wird lauter. Aber die Virus-Lage spricht dagegen, sagen Experten. Was tun?

Die Sonne zieht die Menschen nach dem langen Corona-Winter ins Freie, wie hier in Köln. Der Ruf nach Lockerungen wird lauter. Aber die Virus-Lage spricht dagegen, sagen Experten. Was tun?

Foto: imago images/Future Image/Christoph Hardt via www.imago-images.de

(dpa/RP) Wer Angela Merkel und Markus Söder dieser Tage in Sachen Corona-Krise lauscht, kann neue Töne hören: So spricht die Kanzlerin neuerdings von „Öffnungsschritten“ in Paketen. Und der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef wirbt nun für eine „Öffnungsmatrix“. Kurz vor der nächsten Konferenz von Bund und Ländern zur weiteren Strategie in der Pandemie an diesem Mittwoch kann man da schon hellhörig werden. Geben die beiden, die stets für einen strikten Anti-Corona-Kurs kämpften, immer lauter werdenden Rufen nach Lockerungen nach?

Auch wenn Söder in Bayern zuletzt – wohl auch auf internen Druck – einige Öffnungen veranlasste, was manchen verwunderte. Tatsächlich findet, wer seinen Kurs im Corona-Frühling 2021 genau betrachtet, auch ein anderes Bild: In Bayern dürften weiterhin mit die strengsten Corona-Auflagen in Deutschland gelten, etwa in Hotspots. Und auch bei Merkel schwingt nach wie vor die bisherige Linie mit, die ihr bei anderen Länderchefs das Image der „Bremserin“ eingehandelt hat. So warnt sie vor allzu großen Lockerungshoffnungen im Zusammenspiel mit Corona-Selbsttests.

Was ist also am Mittwoch zu erwarten, wenn ganz Deutschland wieder auf die Ergebnisse der Ministerpräsidentenkonferenz wartet? Es dürften Öffnungen in homöopathischen Dosen sein. Genug, um den Menschen nach dem Winter-Lockdown ein wenig Hoffnung zu geben. Aber so sparsam dosiert, dass auch durch die immer mehr verbreiteten Mutationen nicht gleich ein Rückfall ins exponentielle Wachstum droht.

Es ist ein schmaler Grat. Vor dem virtuellen Treffen mit Merkel mehren sich die Erwartungen an Öffnungsschritte aus dem seit nun vier Monaten anhaltenden zweiten Lockdown. Zugleich wird angesichts steigender Inzidenzzahlen vor einer zu schnellen Öffnung gewarnt.

Die Regierungschefs wollten die aktuelle Entwicklung zur Bewertung dafür nehmen, welche Wirtschaftssparten wieder in Gang kommen dürfen. Dafür war im Beschlusspapier der letzten Konferenz ein Inzidenzwert von 35 genannt worden. Derzeit liegt er allerdings bei 63,8 mit immer wieder geringfügig steigender Tendenz. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach warnte daher erneut, die dritte Welle habe begonnen, die B117-Mutation werde sich in Deutschland voll durchsetzen. Gleichzeitig wollten viele Menschen Erleichterungen. „Wie kann man verhindern, dass wir in die dritte Welle hinein lockern?“, fragte Lauterbach. Er riet, die Erst­impfungen vorzuziehen und in Betrieben und Schulen einmal wöchentlich zu testen. Auch der Wirtschaftsrat der CDU fordert eine schnellstmögliche Ausweitung der Schnell- und Selbstteststrategie und plädierte für Öffnungen. Der deutsche Mode- und Schuhhandel warnte vor verheerenden Auswirkungen im Falle ausbleibender Öffnungen.

Thüringens CDU-Chef Mario Voigt erwartet, dass die Regierungschefs eine klare und verlässliche Perspektive für alle aufzeigen. „Die Bürger wollen den Corona-Frühling“, sagt Voigt. Die Botschaft des Treffens müsse eine „richtige Balance aus Gesundheitsschutz und dem Schutz der Gesellschaft vor den seelischen und materiellen Schäden der Krise“ sein.

Angesichts großer Mengen verfügbaren, von vielen aber abgelehnten Astrazeneca-Impfstoffs sprachen sich mehrere Ministerpräsidenten zudem für Lockerungen bei der Impfreihenfolge aus, so auch Söder.

Auch in Merkels Umfeld weiß man um die riesigen Öffnungserwartungen, glaubt wegen der Mutationen aber nicht daran, in nächster Zeit die magische 35er-Inzidenz überhaupt erreichen zu können. Hinter vorgehaltener Hand heißt es in der Bundesregierung, aus epidemiologischer Sicht werde man wohl erst um Pfingsten herum soweit sein, dass im größeren Stil geöffnet werden kann, wegen der dann fortgeschrittenen Impfungen sowie dem Sommer-Effekt.

Noch mehr als die im Herbst aus dem Amt scheidende Kanzlerin muss aber Söder parteiintern die Stimmung beachten. Hier gilt es frühzeitig „abzufedern“, damit der Rückhalt weiter hoch bleibt. Und: Ohne Lockerungen drohe sich die Bevölkerung vom generellen Corona-Kurs abzuwenden, heißt es parteiintern. Das will auch Merkel vermeiden.

Vieles spricht daher dafür, dass sich Söder wie Merkel beim Gipfel für einen Weg einsetzen werden, der genau diese Gemengelagen unter einen Hut bringt. „Wir brauchen ein nachvollziehbares Konzept, das sowohl bei besser werdenden Inzidenzen Öffnungen vorsieht, aber auch die Möglichkeit der Sicherheit bietet, wenn es schlechter wird“, sagte Söder am Freitag. Es brauche einen Sicherheitspuffer für Folgen der Mutationen. Merkel spricht von Paketen. Klarheit gibt es am Mittwoch.

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