Negativ-Kampagnen Der Schmutzwahlkampf

Meinung · Der problematische Teil der US-Wahlkämpfe ist in Form der Negativ-Kampagne in einem bislang unbekannten Ausmaß nach Deutschland geschwappt. Vor allem verdeckt gesteuerte Trends in Sozialen Netzwerken stellen eine bedenkliche Entwicklung dar. Die Wahl wird auf diese Weise manipuliert.

 Die drei Kanzlerkandidaten bei ihrem dritten Triell am 19. September in Berlin.

Die drei Kanzlerkandidaten bei ihrem dritten Triell am 19. September in Berlin.

Foto: dpa/Willi Weber

An Triell-Abenden konnte in diesem Wahlkampf in den Sozialen Netzwerken eine amüsante Beobachtung gemacht werden: Laschet-Anhänger feierten Laschet, Scholz-Anhänger feierten Scholz und Baerbock-Anhänger feierten Baerbock. Drei Sichtweisen, drei Sieger. Innerhalb der eigenen Blasen mag das Gleichgesinnte ansprechen und ohnehin Entschlossene noch mehr überzeugen. Insofern bildeten die Netzwerke die Fortsetzung der klassischen Wahlkampfauftritte auf den Marktplätzen, auf denen vor allem die eigenen Wähler noch einmal motiviert werden. Doch es gibt auch bedenkliche Entwicklungen.

Sie waren bereits beim letzten Wahlkampf verstärkt zu beobachten, als Auftritte der damaligen CDU-Vorsitzenden und Kanzlerin Angela Merkel von organisierten Gruppen lautstark gestört wurden. Das hat es auch in den zurückliegenden Wahlkämpfen wiederholt gegeben. Mit starker Lautsprecheranlage und übersichtlicher Zahl von Protestierenden blieb das Problem für die Wahlkämpfer unterm Strich beherrschbar.

Doch die Störungen im Netz haben in diesem Wahlkampf eine neue Dimension angenommen. Viele tausend Tweets hatten in den letzten Wochen einen massiv beleidigenden und verletzenden Charakter. Nach einer Filter-Analyse mit einschlägigen Wörtern wurde Armin Laschet binnen eines Monats über 27.000 Mal beleidigt, Olaf Scholz knapp 6700 und Annalena Baerbock gut 5500 Mal. Damit einher ging eine organisierte Negativ-Kampagne, wie sie bislang nur aus den USA bekannt war. Dort stecken Parteien und Kandidaten ihr Geld nicht nur in Anzeigen, Filme und Plakate, um sich damit selbst besser darzustellen, sondern auch, um den Gegner schlecht zu machen. Verstört registrierte die Öffentlichkeit einen SPD-Wahlwerbespot, der nicht in erster Linie die Vorzüge des eigenen Kanzlerkandidaten hervorhob, sondern eine Laschet-Puppe mit Verunglimpfung seiner Vertrauten in den Mittelpunkt stellte.

Auch von Anti-Laschet-Kampagnen wird nun immer mehr bekannt, und dass sie von Fridays-for-Future-Aktivisten und Grünen-Mitgliedern koordiniert wurden, um einen Kanzler Laschet zu verhindern. Wenn viele in kürzester Zeit nach Verabredung gleiche Inhalte mit gleichen Stichwörtern posten, vermögen sie damit jedes Mal Trends zu provozieren, die starke Beachtung finden. Das Problematische daran ist nicht so sehr die Attacke selbst, sondern die unklare Herkunft. Was vermeintlich Meinungen normaler Bürger sind, entpuppt sich als verschleierter Teil einer Parteikampagne. Gerade vor einem Klimastreiktag trägt das nicht zur Glaubwürdigkeit bei.

In der ersten Wahlkampfphase waren solche Hasskampagnen gegen Annalena Baerbock Bestandteil ihres Absturzes in den Meinungsumfragen. In der zweiten Wahlkampfphase begleiteten sie das Absacken der Werte von Armin Laschet. Natürlich lieferten beide Kandidaten selbst durch ihr Verhalten, ihr Auftreten und ihre Verfehlungen Angriffsflächen für ihre Gegner. Aber die verdeckte Kampagne macht es den Attackierten schwer, darauf zu reagieren und täuscht die Nutzer über die eigentlichen Akteure. Sie ist im Grunde genau das, was als Einmischung fremder Staaten in den deutschen Wahlkampf befürchtet worden war: Manipulation, allerdings hausgemachte. Es wurde aus der Deckung so oft wie selten zuvor mit Schmutz geworfen.

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