"Das ist der Lackmustest"

Nach Ansicht von Grünen-Chefin Simone Peter muss die Bundesregierung bei der Finanzierung der Flüchtlingshilfe kräftig nachlegen. Dies dürfe aber nicht zulasten anderer Investitionen gehen. Auch an Einnahmeverbesserungen müsse gedacht werden, so Peter zu unserer Zeitung. Am Donnerstag treffen sich Bund und Länder zu einem Flüchtlingsgipfel in Berlin.

Frau Peter, bekommt die Regierung die Bewältigung des Flüchtlingsansturms langsam in den Griff?
Peter: Bisher jedenfalls nicht. Ich erwarte deshalb, dass die Bundesregierung am Donnerstag zusammen mit den Ländern ein Paket für die bessere Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen schnürt. Dieses Paket muss Entlastungen in den Erstaufnahmeeinrichtungen schaffen, den Flüchtlingen helfen und die Kommunen unterstützen. Dazu gehört, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge endlich personell so aufgestellt wird, dass Asylanträge schneller bearbeitet werden können. Die Zielsetzung muss sein, Verfahren in drei Monaten abzuschließen. Alles andere ist eine Zumutung. F: Wie viele Milliarden werden aus ihrer Sicht dafür benötigt? A: Mit den drei Milliarden Euro, die die Regierung für 2016 versprochen hat, kommen wir sicherlich nicht hin. Länder und Kommunen brauchen eine dauerhafte, strukturelle Entlastung bei den Kosten für Unterbringung, Sozial- und Gesundheitsleistungen sowie Integrationsmaßnahmen. Da muss die Bundesregierung noch ordentlich was nachlegen.Ist das haushaltstechnisch machbar - und zwar ohne Steuererhöhungen?
Peter: Ich bin mir sicher, dass der Finanzminister nicht weiter mit dem Mantra eines ausgeglichen Haushalts durch die Republik geistern kann. Die Flüchtlingshilfe darf jedoch nicht zulasten anderer Ressorts oder wichtiger Investitionen wie in Bildung, Klimaschutz und soziale Fürsorge gehen.

Das heißt?
Peter: Entscheidend wird sein, ob es perspektivisch bei den Steuermehreinnahmen bleiben wird, die in den letzten Jahren so gesprudelt sind, und was man durch Kürzungen unsinniger Ausgaben einsparen kann. Mir fallen da die umweltschädlichen Subventionen in Höhe von 50 Milliarden Euro ein oder Umschichtungen im Haushalt. Aber auch Einnahmeverbesserungen gehören dazu.

Ist Innenminister Thomas de Maizière die Schwachstelle im Regierungsmanagement?
Peter: Der Innenminister fällt seit Monaten in der Gestaltung und Lösung der Flüchtlingskrise aus. Wir fordern schon sehr lange, dass mehr Personal für die Bearbeitung der Asylanträge bereitgestellt wird. Oder dass man Kontingente für Syrer schafft, weil es Unsinn ist, sie bei einer Anerkennung von fast 100 Prozent in die Verfahren und Erstaufnahmeeinrichtungen zu drängen. Eins muss klar sein: Der derzeit bestehende gesellschaftliche und politische Konsens, Lösungen für die Aufnahme von Flüchtlingen zu finden, darf nicht durch weitere Verschärfungspläne im Asylrecht gefährdet werden.

Seitens der SPD ist ein Rücktritt de Maizières ins Spiel gebracht. Tun Sie das auch?
Peter: Die Bewältigung der Flüchtlingskrise ist der Lackmustest für die Bundesregierung und besonders für den Bundesinnenminister. Diese Woche erhält er eine letzte Bewährungsprobe. Wenn er die nicht besteht, sind auch personelle Konsequenzen nicht auszuschließen.

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