"Das Bafög muss mit der Preis- und Einkommensentwicklung Schritt halten"

Saarbrücken/Berlin · Rolf Dobischat, Präsident des Deutschen Studentenwerks, fordert die Einführung eines Automatismus bei der Erhöhung des Bafögs für Studenten: „Das Bafög muss mit der Preis- und Einkommensentwicklung Schritt halten.“

Kürzlich ergab eine Studie des Bildungsministeriums, dass sich jeder zweite Student sorgt, sein Studium überhaupt zu schaffen. Was läuft falsch im System Uni?
Dobischat: Noch immer betreut ein Professor zu viele Studentinnen und Studenten. Die Einführung der neuen Bachelor- und Master-Studiengänge lief holprig an, und noch immer zählt für viele Hochschullehrer die Forschung mehr als die Lehre. Wir haben mehr als 10.000 Studiengänge, eine Ausdifferenzierung der Hochschulen, Elite-Unis, und die Studierenden sollen schnell sein, erfolgreich, Praktika und Auslandserfahrung anhäufen, fünf Fremdsprachen sprechen und einen tollen Job ergattern. Da wundert es mich nicht, dass viele sich Sorgen machen.

Sind die Studenten arm dran?
Dobischat: Nein, das kann man so pauschal nicht sagen. Sie müssen, auf der immateriellen Ebene, viele hochschulpolitischen Reformen über sich ergehen lassen - aber sie rücken auch viel stärker ins Zentrum, etwa der Lehre. Materiell muss man differenzieren. Etwa ein Fünftel hat weniger als 600 Euro im Monat zur Verfügung, aber 17 Prozent der Studierenden haben mehr als 1000 Euro. Die Studienfinanzierung ist eine Mischfinanzierung; den größten Anteil bezahlen die Eltern. Dann folgt der Nebenjob. Zwei Drittel der Studierenden jobben! Ein Viertel erhält Bafög.

Aber zumindest hat es eine Bafögerhöhung geben. Das kann man nicht bestreiten.
Dobischat: Stimmt. Es gab 2007/2008 mehr BAföG, und dann 2010, nach einem längeren politischen Tauziehen, noch mal. Das freut mich, aber das war auch nötig, weil wir vorher viele Jahre Stillstand hatten. Das Bafög muss mit der Preis- und Einkommensentwicklung Schritt halten. Mir wäre am liebsten, das Bafög würde regelmäßig erhöht, quasi als Automatismus.

Wird sich das neue Stipendiensystem positiv auswirken, das die Koalition installiert hat?
Dobischat: Da bin ich skeptisch. Das Programm sprang als Tiger und endete vorerst als Bettvorleger. Statt zehn Prozent der Studierenden werden erst einmal weniger als ein halbes Prozent davon profitieren. Wir brauchen eine neue, starke Stipendienkultur, das stimmt schon, aber das Deutschlandstipendium ist eine marginale Ergänzung, keine tragende Säule der Studienfinanzierung in Deutschland.

Zugleich schaffen immer mehr Bundesländer die vor Jahren beschlossenen Studiengebühren wieder ab. Ist das der richtige Weg?
Dobischat: Absolut! Ich hoffe, Hamburg und Baden-Württemberg schaffen die Gebühren jetzt auch rasch ab. Studiengebühren sind falsch; sie verteuern das Studium, belasten die unterhaltsverpflichteten Eltern. Für eine vernünftige Ausstattung der Hochschulen zu sorgen, ist Aufgabe der Länder, nicht der Studierenden.

Durch die Abschaffung der Wehrpflicht werden deutlich mehr junge Leute an die Hochschulen drängen. Sind die Hochschulen darauf denn gut vorbereitet?
Dobischat: Ja und nein. Ja, weil Bund und Länder die Hochschulpakte zusätzlich aufstocken wollen für die jungen Männer, die zur Uni statt zum Bund gehen. Nein, weil ein Kalkulieren in Studienplätzen allein nicht ausreicht. Die Studierenden brauchen ein bezahlbares Dach über dem Kopf, sie brauchen campusnahe, günstige Verpflegung, eine solide Studienfinanzierung, vielleicht Kinderbetreuung. In diese Leistungen der Studentenwerke wurde bisher kein Cent zusätzlich investiert. Das muss aber aus meiner Sicht der nächste Schritt sein.

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