CO2-Emissionen 40-Prozent-Ziel ist nun doch erreichbar

Berlin · Der CO2-Ausstoß ist 2019 in Deutschland um 6,3 Prozent zurückgegangen. Das liegt vor allem am reformierten Emissionshandel.

 Mitten in der Corona-Krise hatte Bundesumweltministerin Svenja Schulze am Montag gute Nachrichten zum Thema Klima zu verkünden: Der CO 2 -Ausstoß ist im vergangenen Jahr überraschend stark gesunken.

Mitten in der Corona-Krise hatte Bundesumweltministerin Svenja Schulze am Montag gute Nachrichten zum Thema Klima zu verkünden: Der CO 2 -Ausstoß ist im vergangenen Jahr überraschend stark gesunken.

Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Zwei Meter Abstand auf dem Podium, zwei Meter Abstand zwischen den Journalisten. Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) wollte trotz Corona-Krise per Pressekonferenz am Montag ganz persönlich eine gute Zahl loswerden: Die Treibhausgasemissionen sind im letzten Jahr um 6,3 Prozent zurückgegangen. Gemessen am Vergleichsjahr 1990 sind es jetzt 35,7 Prozent weniger, so dass das alte Ziel, minus 40 Prozent bis 2020, doch noch erreichbar ist.

Das überraschend starke Sinken des CO2-Ausstoßes im letzten Jahr hat nichts mit Corona aber viel mit dem gerade reformierten Emissionshandel zu tun. Dort stieg der Preis für die Tonne CO2 nämlich von 14,92 auf 24,65 Euro, fast eine Verdoppelung. Die Folge: Die Stromerzeuger stellten auf sauberere Gaskraftwerke um und legten teurere Steinkohlekraftwerke mit 3,5 Gigawatt Leistung still. Außerdem war 2019 ein wind- und sonnenreiches Jahr. Vom deutschen Gesamtausstoß von noch 805 Millionen Tonnen CO2 entfallen 254 Millionen auf den Energiesektor. Damit die Entwicklung hier weitergeht, müsse jetzt der Ausbau der Erneuerbaren Energien zügig umgesetzt werden, sagte Schulze. Derzeit streitet die Koalition über die Abstandsregeln für Windräder.

Auch die Industrie hat im letzten Jahr weniger Klimagase produziert, minus 3,7 Prozent. Im Langzeitvergleich liegt sie mit 188 Millionen Tonnen fast genau ein Drittel unter den Werten von 1990, als es 284 Millionen Tonnen waren. Bei der Landwirtschaft beträgt der Rückgang der letzten 30 Jahre 24,1 Prozent, zuletzt waren es minus 2,3 Prozent. Hier spielt der verringerte Düngemitteleinsatz und der sinkende Tierbestand eine Rolle. Bei der Gebäudeheizung gab es im letzten Jahr hingegen ein Plus von fünf auf 122 Millionen Tonnen Kohlendioxid. Grund: Das Wetter war 2019 etwas kühler als im Vorjahr, das Heizöl billig. Im Langzeitvergleich liegt dieser Sektor mit minus 42 Prozent seit 1990 aber nicht schlecht. Trotzdem sei hier noch weit mehr drin, meinte der Chef des Umweltbundesamtes, Dirk Messner. So wird derzeit nur eines von hundert Gebäuden jedes Jahr energetisch saniert – nötig wäre eine Verdopplung auf zwei.

Völlig aus dem Ruder geraten ist hingegen die Entwicklung im Verkehrssektor. Er stieß 2019 mit 163 Millionen Tonnen CO2 praktisch genauso viel aus wie vor 30 Jahren (164 Millionen Tonnen), hat also keinerlei Fortschritte erzielt. Was es an Effizienzgewinnen bei den Motoren gebe, werde vollständig aufgefressen durch den Anstieg der Zahl der Autos, die zudem schwerer seien als früher und auch mehr Kilometer zurücklegten, analysierte Messner. Das Bundesumweltamt forderte erneut eine Tempobegrenzung auf Autobahnen.

Durch die guten Zahlen des letzten Jahres ist jetzt das alte Minderungsziel von 40 Prozent für 2020 wider Erwarten doch noch erreichbar. Man spürte bei dem Auftritt der Ministerin allerdings die Sorge, dass die Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen von Corona das Thema Klimakrise verdrängen könnte, mindestens für die nächsten Jahre. „Auch die Klimakrise bleibt wichtig“, sagte sie. Messner verwies darauf, dass der Anstieg der Temperaturen einige „Kipppunkte“ des Weltklimasystems zu aktivieren drohe, etwa eine Schmelze des Grönlandeises oder das Ausbleiben des Monsuns. Auch das könne zu globalen Katastrophen führen, „die unsere Gesellschaften in den Grundfesten erschüttern können“. Messners Hoffnung: „Vielleicht gibt es in der Gesellschaft jetzt eine größere Sensibilität, dass wir auf Großrisiken vorbereitet sein müssen.“

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