„CDU soll Mindestlohn beschließen“

Berlin · Der Arbeitnehmerflügel der CDU macht sich für einen allgemeinen Mindestlohn und höhere Renten für Geringverdiener stark. Die Christlich Demokratische Arbeitnehmerschaft (CDA) will dazu auf ihrer Bundestagung an diesem Wochenende in Berlin einen Beschluss fassen. Unser Korrespondent Stefan Vetter sprach darüber mit dem CDA-Vorsitzenden, Karl-Josef Laumann:

Berlin. Herr Laumann, die Kanzlerin und der Wirtschaftsflügel Ihrer Partei sind ausdrücklich gegen einen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn. Da steht die CDA doch auf verlorenem Posten, oder?
Karl-Josef Laumann: Mit dem tariflich ausgehandelten Mindestlohn in der Zeitarbeit gibt es erstmals eine Lohnuntergrenze, die sich über viele Branchen erstreckt. Zeitarbeiter gibt es in der Chemie- und Metall-Industrie sowie im Dienstleistungssektor. CDU und FDP werden diesen Mindestlohn gesetzlich garantieren. Deshalb sagen wir, dass diese Lohnuntergrenze eine Auffanglinie für alle Beschäftigte in Deutschland sein muss.

Das ändert aber nichts an der breiten Ablehnung in Ihrer Partei.
Laumann: Die CDU muss sich der Tatsache stellen, dass es viele Branchen gibt, die keine Tarifverträge haben. Die Würde von Erwerbsarbeit drückt sich auch in ihrer Bezahlung aus. Auf dem Bundesparteitag im November wird die CDA dafür kämpfen, dass die CDU einen Mindestlohn beschließt, der tariflich, also von Gewerkschaften und Arbeitgebern festgelegt worden ist. Mein Eindruck ist, dass die Zahl der Befürworter einer allgemeinen Lohnuntergrenze in unserer Partei erheblich zunimmt.

Nach dem CDA-Konzept haben geringere Löhne als in der Zeitarbeit Vorrang, wenn sie ebenfalls tariflich ausgehandelt wurden. Was ist ein Mindestlohn wert, wenn er am Ende doch unterschritten werden kann?
Laumann: Das ist eine Phantomdiskussion. Wenn der Mindestlohn in der Zeitarbeit die allgemeine Lohnuntergrenze ist, dann kann es sich keine Gewerkschaft mehr leisten, einen schlechteren Tarifvertrag abzuschließen. Und was ältere Tarifverträge angeht, die laufen auch irgendwann aus.

Besonders niedrige Löhne wurden in der Vergangenheit ausgerechnet von jenen Gewerkschaften mit beschlossen, die das Wort "Christlich" im Namen führen. Ärgert Sie das?
Laumann: Ja. Die christlichen Gewerkschaften haben sich mit einem Teil ihrer Tarifverträge keinen guten Namen gemacht. Gerade bei der Zeitarbeit haben sie aber inzwischen ihre Politik geändert, indem sie den Mindestlohn dort mittragen. Dieses Umdenken ist sehr zu begrüßen.

Im Beschlusspapier der CDA werden auch höhere Renten für Niedrigverdiener gefordert. Wie kommen Sie darauf?
Laumann: Es ist ja so, dass jeder Mensch in Deutschland einen Anspruch auf 739 Euro Grundsicherung im Alter hat. Wenn ein Mensch 7,50 Euro pro Stunde in Vollzeit verdient, dann muss er nach geltendem Rentenrecht 47 Jahre lang arbeiten, um eine Rente in gleicher Höhe zu bekommen. Das heißt, viele Menschen, die ein Leben lang hart gearbeitet und Rentenbeiträge eingezahlt haben, werden in 20 Jahren nicht besser da stehen, als Menschen, die gar nichts für ihre Alterssicherung getan haben. Das ist ungerecht.

Und was folgt daraus?
Laumann: Renten für Niedrigverdiener müssen aufgestockt werden. Die Rente muss auch eine Belohnung für Lebensleistung sein. Wir wollen nicht, dass große Teile unserer Gesellschaft in ein staatliches Fürsorgesystem abrutschen. Ein Mensch, der sein Geld von der Rentenversicherung bezieht, hat ein anderes Verhältnis zum Staat, als derjenige, der vom Staat abhängig ist. Auch das hat mit dem bürgerlichen Menschenbild CDU zu tun.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort