Debatte über Deutschlandticket Die 49er-„Revolution“ erreicht den Bundestag

Analyse | Berlin · Das 49-Euro-Ticket befindet sich auf der Zielgeraden. Der Bundestag beriet erstmals die Gesetzespläne von Verkehrsminister Volker Wissing. Hält der Fahrschein das, was der Minister sich von ihm verspricht?

 Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) musste bei der Debatte im Bundestag über das 49-Euro-Ticket mal staunen, mal schmunzeln.

Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) musste bei der Debatte im Bundestag über das 49-Euro-Ticket mal staunen, mal schmunzeln.

Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Wer Volker Wissing (FDP) am Donnerstag im Bundestag beobachtete, bekam vom Verkehrsminister einiges geboten: Kopfschütteln, Stirnrunzeln, zwischendurch erstaunte Blicke und fröhliches Grinsen. Ein Hauch von Revolution lag in der Luft. Und wie das bei Revolutionen so ist, sie erhitzen ganz unterschiedlich die Gemüter. Vor allem dann, wenn sie lediglich 49 Euro kosten sollen.

Das ist der Preis, den die Bürger zunächst zahlen werden, wenn sie das bundesweit gültige, weitgehend digitale Deutschlandticket ab Mai nutzen wollen. „Wir starten heute die größte Revolution im Nahverkehr seit Gründung der Bundesrepublik“, rief Dorothee Martin von der SPD stolz anlässlich der ersten Beratung des von Wissing vorgelegten Gesetzentwurfs zur Änderung des Regionalisierungsgesetzes. Mit ihm wird die Finanzierung des Fahrscheins durch Bund und Länder mit jeweils 1,5 Milliarden Euro (Minimum) gesichert. Man lichte „quasi im Eiltempo mit der Machete den Dschungel verschiedener Systeme im deutschen ÖPNV“, lobte auch FDP-Mann Valentin Abel. „Ein Gamechanger der Mobilitätspolitik.“ Neudeutsch für Revolution.

Minister Wissing schlug während der Debatte in eine ähnliche Kerbe. Alle Verkehrsangebote, „die CO2-neutral sind, brauchen wir dringend, um unsere Klimaschutzziele zu erreichen“, hob er die Nutzung des Deutschlandtickets noch auf eine weitere Ebene. Wissing steht da mächtig unter Druck, denn sein Verkehrssektor liefert bislang zu wenig für das ambitionierte Programm der Regierung, weshalb sich Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) mit Wissing im Clinch befindet. Ausgang des Streits? Noch offen.

Der FDP-Mann ergänzte, Menschen ließen sich durchaus motivieren, den ÖPNV stärker zu nutzen, „wenn man ihnen ein attraktiveres Tarifangebot macht und die Tarifstrukturen konsequent vereinfacht“. Das habe bereits der Erfolg des Neun-Euro-Tickets gezeigt, so Wissing. Zwei Minister-Klarstellungen mussten dann noch sei: Erstens sei die Entlastungswirkung auf dem Land deutlich höher, weil die Fahrscheine dort teurer seien, meinte Wissing. Das Problem des fehlenden Angebots dort werde man jetzt ebenso lösen. Und zweitens: Niemand werde ausgeschlossen, weil er kein Handy habe. Digital sei auch eine Chipkarte. „Damit kommen die Menschen seit Jahrzehnten zurecht, und zwar jeden Alters“, so der Minister. Etwa beim Geldabheben.

Die Opposition wollte freilich nicht wirklich in den revolutionären Jubelchor mit einstimmen. Grundsätzlich begrüße man die Einführung eines bundesweit einheitlichen ÖPNV-Tickets, meinte Unions-Verkehrsexperte Michael Donth. Doch es gebe mehr Minus- als Pluspunkte. Aus Länderkreisen höre man schon, dass der Einführungspreis von 49 Euro schnell steigen werde – „warum machen wir es nicht gleich ehrlich?“, fragte Donth. Außerdem wollte der CDU-Mann wissen, wo denn die 10.000 Lesegeräte für die Chipkarten herkommen würden, die in den Verkehrsverbünden fehlten. Was sei mit den Semestertickets, wie würden die Einnahmen verteilt? Probleme, die nach wie vor ungeklärt seien, so Donth. Und Fernbusse könnten gar nicht genutzt werden.

AfD-Mann Wolfgang Wiehle beklagte eher Simples, etwa, dass die Züge jetzt voller würden und der „Fernverkehr der deutschen Bahn kannibalisiert“ werde. Der Linke Bernd Riexinger wies noch darauf hin, dass das 49-Euro-Ticket noch lange keine Mobilitätswende sei. „Es ist für einen massenhaften Umstieg vom Auto auf Busse und Bahnen zu weit vom Neun-Euro-Ticket weg.“ Auch fehle ein deutschlandweites Sozialticket, ein Nulltarif für Schüler, Azubis und Studierende, so der Linke.

CSU-Mann Ulrich Lange warnte schließlich, viele Kommunen würden finanziell in die Röhre schauen. Wissing werde „in seiner Märchenstunde auch noch zum Klimaminister“, stichelte Lange. Da musste der FDP-Mann auf der Regierungsbank erst recht herzhaft lachen. Wäre wohl eine weitere Revolution.

(has)
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