Statt Hartz-IV „Größte Sozialstaatsreform seit 20 Jahren“: Bundestag beschließt Bürgergeld nach heftiger Debatte

Der Bundestag hat das Bürgergeld beschlossen. Davor wurde im Plenum hochemotional diskutiert. Die Positionen der Parteien liegen weit auseinander. Ein Kompromiss scheint nicht in Sicht.

Bundestag beschließt Bürgergeld nach Debatte​: Schwere Kritik der Union
Foto: dpa/Michael Kappeler

Der Bundestag hat das von der Ampel-Koalition geplante Bürgergeld auf den Weg gebracht. SPD, Grüne und FDP stimmten mit ihrer Mehrheit für das Gesetz. In namentlicher Abstimmung stimmten 385 Abgeordnete für das Gesetz, 261 dagegen. Es gab 33 Enthaltungen. Das Bürgergeld soll mit dem Jahreswechsel schrittweise das heutige Hartz-IV-System ablösen. Allerdings ist dafür noch eine Zustimmung im Bundesrat nötig, der voraussichtlich am Montag darüber entscheidet. Die Union hat damit gedroht, das Bürgergeld dort zu blockieren, weil es aus ihrer Sicht die Motivation senkt, eine Arbeit anzunehmen.

Heftige Debatte im Bundestag über das Bürgergeld

Zuvor hatte sich der Bundestag am Vormittag in einer heftigen Debatte mit der geplanten Bürgergeld-Reform auseinandergesetzt. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) verteidigte das Vorhaben noch einmal deutlich gegen Kritik - während zahlreiche Politiker der Opposition ihren Unmut über die Sozialreform zum Ausdruck brachten. Scharfe Auseinandersetzungen gab es vor allem zwischen Vertretern der Regierungsfraktionen von SPD, Grünen und FDP und Abgeordneten von CDU und CSU. Der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Hermann Gröhe (CDU) warf der Ampelkoalition vor, sich jeglicher Debatte über die „Webfehler“ des Gesetzes zu verweigern.

Die Union, auf deren Zustimmung die Ampel später im Bundesrat für eine endgültige Verabschiedung des Bürgergelds angewiesen ist, hat die angepeilte Abkehr vom bisherigen Hartz-IV-System in den vergangenen Wochen immer wieder scharf kritisiert und droht nach wie vor mit einer Blockade in der Länderkammer. Aus Sicht von CDU und CSU senkt das Bürgergeld die Motivation, eine Arbeit anzunehmen. Der Bundesrat will sich aller Voraussicht nach schon am kommenden Montag in einer Sondersitzung mit dem Bürgergeld befassen.

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Heil: „Größte Sozialstaatsreform seit 20 Jahren“

Es handele sich um die „größte Sozialstaatsreform seit 20 Jahren“, sagte Arbeitsminister Heil. Die Reform solle es Menschen ermöglichen, auch nach langer Zeit der Arbeitslosigkeit wieder eine berufliche Perspektive zu finden. Im System sei etwas falsch, wenn Menschen lediglich immer wieder in Hilfstätigkeiten vermittelt würden, statt dauerhaft Arbeit zu finden, erklärte Heil.

An der Haltung der Union übte der Arbeitsminister harsche Kritik. Es sei ein „logischer Bruch“, dass CDU und CSU nun lediglich einer Anhebung der Regelsätze zustimmen wollten, statt die gesamte Reform mitzutragen, sagte Heil. Er warb erneut für Zustimmung im Bundesrat. Den Vorwurf, dass sich Arbeit mit dem neuen System künftig nicht mehr lohne, wies Heil, wie schon einige Male zuvor, zurück. „Arbeit muss sich lohnen“, betonte er.

Auch mehrere Abgeordnete von Grünen und FDP äußerten Wut über die Haltung der Unionsfraktion. Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Johannes Vogel, nannte es „schizophren und unredlich“, dass die Union behaupte, dass Menschen mit Bürgergeld künftig mehr Geld hätten als Geringverdiener.

Union wirft Ampel „Arroganz“ vor

Unionsfraktionsvize Gröhe warf der Ampel-Regierung dagegen vor, auch die Kritik an der Reform von anderer Stelle, etwa von Städtetag und Landkreistag, zu ignorieren. „Mit dieser Arroganz bringen Sie den Sozialstaat nicht nach vorne, mit dieser Arroganz werden Sie scheitern!“, sagte Gröhe.

Auch AfD und Linke äußerten Kritik an den Gesetzesplänen - allerdings aus sehr unterschiedlichen Gründen. Der stellvertretende AfD-Fraktionschef Norbert Kleinwächter sagte, dass das Bürgergeld künftig vor allem Menschen helfe, die nicht willens seien zu arbeiten. Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch machte dagegen deutlich, dass die Reformpläne zu wenig seien, um eine wirkliche Abkehr von Hartz-IV zu gewährleisten. Die Regelsätze würden zu spät erhöht und seien insgesamt zu niedrig, sagte Bartsch.

(dpa)
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