FDP und Union für Sozialkürzungen Im Bundeshaushalt fehlen laut Lindner wieder fünf Milliarden

Berlin · Die Ampel muss aus Sicht des Finanzministers neu über den Bundeshaushalt 2025 verhandeln: Es fehlen fünf Milliarden Euro, sagt Christian Lindner. Der FDP-Chef will beim Sozialen sparen und hat die Union dabei auf seiner Seite.

FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner am Sonntagabend im „ZDF-Sommerinterview“ in Berlin-Mitte vor historischer Kulisse.

FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner am Sonntagabend im „ZDF-Sommerinterview“ in Berlin-Mitte vor historischer Kulisse.

Foto: dpa/Claudius Pflug

Die Union unterstützt Pläne von FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner, im Bundeshaushalt über neue Einschnitte bei Sozialleistungen wie dem Bürgergeld zu verhandeln. „Die Forderung des Finanzministers, verstärkt die Sozialausgaben in den Blick zu nehmen, ist richtig“, sagte Parlamentsgeschäftsführer Thorsten Frei (CDU). Mehrere Expertengutachten zu den jüngsten Haushalts-Beschlüssen machen aus Sicht Lindners zügige, neue Verhandlungen über den Bundeshaushalt 2025 unausweichlich. Es gehe um weitere Einsparungen „in der Größenordnung von fünf Milliarden Euro“, sagte Lindner am Sonntagabend im „ZDF-Sommerinterview“.

Die Gutachten des Bielefelder Verfassungsrechtlers Johannes Hellermann und des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesfinanzministerium hatten vergangene Woche drei geplante Maßnahmen der Ampel von Mitte Juli für verfassungswidrig oder unwirtschaftlich erklärt. Dies gilt insbesondere für den Plan, bei der Staatsbank KfW liegen gebliebene Milliarden für die Gaspreisbremse für den Haushaltsausgleich zu nutzen. Eine weitere Idee, der Bahn und der Autobahngesellschaft Darlehen statt direkte Zuwendungen zu geben, könnte zwar mit der Verfassung in Einklang stehen, sei aber besonders mit Blick auf die Autobahngesellschaft riskant und unwirtschaftlich, so die Gutachter.

Lindner will nun von allen drei Ideen absehen, die nach seinen Worten aus dem Kanzleramt stammten, und nach neuen Einsparmöglichkeiten suchen. An der Schuldenbremse und dem Verzicht auf Steuererhöhungen will der FDP-Chef dagegen festhalten. „Ich nehme mit Sorge wahr, dass die SPD-Fraktion viele Grundlagenentscheidungen infrage stellt, beispielsweise bei der Schuldenbremse und bei Steuererhöhungen“, sagte Lindner im ZDF.

Er konterte Vorwürfe aus der SPD, er sei vergangene Woche rücksichtslos vorgegangen. Dass der FDP-Chef seine Bewertung der Gutachten ohne Abstimmung in der Regierung vorgenommen und am Tag des großen Gefangenenaustauschs veröffentlicht habe, „das ist rücksichtslos und überschreitet für mich die Grenze des Erträglichen in einer Koalition“, hatte SPD-Chefin Saskia Esken erklärt. Dazu sagte Lindner, sein Vorgehen sei auch für die SPD erwartbar gewesen. Von Anfang an sei klar gewesen, dass die strittigen Haushalts-Maßnahmen nur „Prüfaufträge“ gewesen seien und von unabhängigen Gutachtern beurteilt werden sollten. Lindner hatte seine Zustimmung Mitte Juli von den Ergebnissen abhängig gemacht.

Statt neue Schulden zu machen, sieht Lindner Sparpotenzial im Sozialetat. „Wir wollen, dass Menschen arbeiten und nicht von Sozialleistungen leben. Da liegen Milliardensummen“, sagte der FDP-Vorsitzende mit Blick auf die Wahlkämpfe.

In diesem Punkt hat Lindner die Union an seiner Seite. „Jetzt geht es vor allem darum, die Prioritäten im Bundeshaushalt in Richtung mehr Investitionen in die Infrastruktur zu verschieben. Und das bedeutet dann eben auch, dass bei den konsumtiven Ausgaben, etwa den Sozialleistungen oder der Entwicklungshilfe, gespart werden muss“, betonte CDU-Politiker Frei. „Es geht darum, sehr viel zielgerichteter wirklich Bedürftige zu unterstützen. Die Unterstützung dann aber auch auf genau diesen Personenkreis zu begrenzen“, sagte Frei. Beim Bürgergeld müsse das Fordern mehr betont werden. „Von jemandem, der im arbeitsfähigen Alter und gesund ist, kann man im Regelfall erwarten, dass er selbst für seinen Lebensunterhalt aufkommt.“

Die Grünen dagegen sehen keine Notwendigkeit, neu über den Haushalt zu sprechen. „Es gibt keinen Grund neu zu verhandeln“, sagte Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch. „Die Aufgabe des Finanzministers ist es, gemeinsame Lösungen möglich zu machen. Christian Lindner tut das Gegenteil“, so Audretsch. „Er stellt die Einigung einseitig in Frage, ohne Absprache in der Koalition, ohne Verständigung auf einen gemeinsamen Weg. Nun liegt es auch in der Verantwortung des Kanzlers, dafür zu sorgen, dass ein vereinbarter Kompromiss von allen in der Koalition getragen wird“, sagte er. „Kaputtsparen beim sozialen Zusammenhalt und beim Klimaschutz wird es nicht geben.“

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann legte als Ausweg aus der Haushaltskrise einen neuen Vorschlag auf den Tisch. „Wir brauchen die Möglichkeit, ein Sondervermögen über Kredite aufzubauen, das nur für ganz bestimmte Investitionszwecke überhaupt verwendet werden darf“, sagte der Grünen-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Als Beispiel nannte Kretschmann die Bahn und den Aufbau eines Wasserstoffnetzes. Er sei nicht dafür, die Schuldenbremse zu lockern. „Aber: Die Schuldenbremse darf keine Zukunftsbremse werden. Bleiben wichtige Investitionen aus, schadet dies ebenfalls der kommenden Generation“, sagte der Grünen-Politiker.

Die Union, die für Zwei-Drittel-Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat nötig wäre, lehnte den Vorschlag allerdings umgehend ab. „Wer die Kostenseite des Haushalts nicht in den Griff bekommt, dem nützen auch Sondervermögen nichts", sagte Thorsten Frei.