"Billigtickets sagen nichts über Sicherheit aus"

Berlin · Auch die Airlines stehen unter erheblichem Spardruck. Die Pilotenvereinigung Cockpit warnt deshalb vor Qualitätsverlusten. Bei der Erneuerung der Technik würden zeitliche Grenzen öfter ausgereizt als früher, so Cockpit-Vorstand und Sprecher Jörg Handwerg im Gespräch mit unserer Zeitung.

Herr Handwerg, viele Menschen fragen sich jetzt, ist Fliegen tatsächlich so sicher, wie behauptet wird. Ist es das?
Jörg Handwerg: Ja. Ohne die Katastrophe verharmlosen zu wollen, es gibt einen Unterschied zwischen objektiver und wahrgenommener Sicherheit. Nach so einem Vorfall ist die Verunsicherung also erheblich größer. Obwohl es im Straßenverkehr eindeutig gefährlicher ist.

Aber die Airlines stehen unter erheblichem Spardruck. Wirkt sich dieser Umstand negativ aus?
Jörg Handwerg: Ganz generell gilt: Wenn zu wenig Geld im System ist, muss man irgendwo sparen. Und sparen geht halt nicht immer ohne Qualitätsverlust.

Das heißt konkret?
Jörg Handwerg: Natürlich gibt es in allen Bereichen Einsparungen. Sei es, dass versucht wird, Druck auf die Piloten auszuüben. Oder dass bei der Technik Dinge eben nicht erneuert werden, weil man noch nicht an der zeitlichen Grenze angelangt ist, dies machen zu müssen. Das reizt man heute mehr aus, als es früher der Fall war.

Unter welchem Druck stehen die Piloten?
Jörg Handwerg: Es gibt Scheinselbstständigkeit im Cockpit. Ryanair arbeitet zum Beispiel nach unseren Kenntnissen sehr stark mit Pseudofirmen. Da müssen sich zwei Piloten zusammenschließen und eine eigene Firma gründen, um dann ihre Leistung zu verkaufen. Das ist aus unserer Sicht nicht unkritisch, weil eine Pilot nicht nur einen Flug durchführen, sondern auch frei entscheiden können muss, was er für sicher hält und was nicht. Befindet er zu häufig etwas als unsicher, kann es sein, dass er keine Aufträge mehr bekommt.

Wird zugleich die Automatisierung im Cockpit zunehmend zur Gefahr?
Jörg Handwerg: Es wäre übertrieben zu behaupten, Piloten können nicht mehr fliegen. Man muss aber schon sagen, das Trainingsvolumen hat in einigen Unternehmen gelitten. Mir fällt da auch die eine oder andere Golf-Airline ein, die ganz explizit fordert, möglichst wenig von Hand zu fliegen und viel den Autopiloten machen zu lassen. Dass dies ebenfalls nicht förderlich ist, dürfte offensichtlich sein.

Tickets kosten heute mitunter 29,90 Euro - welche Folgen hat der Niedrigpreis-Wettkampf?
Jörg Handwerg: Ein Billigticket lässt noch keine Schlüsse auf die Sicherheit zu. Alle Airlines bieten Sonderangebote an. Und wenn in einem Flieger mit 200 Passagieren fünf davon Tickets für 29,90 Euro gekauft haben, wird das über die Preise für die anderen wieder reingeholt. Nur: Treibt man es generell in diesem Bereich zum Exzess, kann sich das natürlich negativ auswirken.

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