Kanzlerin in der Corona-Krise Merkel ringt jetzt um jeden Tag

Berlin · Erst am 6. Mai soll über Corona-Lockerungen beraten werden – das befeuert die Debatte über den Exit.

Kanzlerin Angela Merkel kann den Ländern in der Corona-Krise kaum Vorschriften machen.

Kanzlerin Angela Merkel kann den Ländern in der Corona-Krise kaum Vorschriften machen.

Foto: AP/Michael Kappeler

Ihrer Ansage im Parlament, einige Bundesländer gingen bei der Aufhebung von Corona-Einschränkungen „zu forsch“ vor, ließ Angela Merkel jetzt eine Ankündigung folgen: Erst am 6. Mai sollen Bund und Länder über weitere Lockerungen entscheiden. Die Debatte über die richtige Exit-Strategie geht damit in die nächste Runde.

Zuletzt hatte die Kanzlerin Mitte April mit den Ministerpräsidenten über die Lage beraten. Damals vereinbarte man, die Kontaktbeschränkungen bis zum 3. Mai zu verlängern, aber auch die Schulen langsam wieder starten zu lassen und kleine Läden zu öffnen. Seitdem ist unter den Bundesländern eine Art Wettbewerb über das schnellste Vorgehen entstanden, den Merkel intern als „Öffnungsdiskussionsorgie“ brandmarkte. Dafür erntete sie viel Kritik. Die Kanzlerin will aber die Bürger bremsen, um die bisherigen Erfolge nicht zu gefährden.

Merkel kann allerdings nur Gespräche führen, appellieren und auffordern. Genau das macht sie intensiv vor jeder neuen Beratung mit den Länderchefs. So hat die CDU-Frau gemeinsame Beschlüsse erreicht, die aber alle unterschiedlich auslegen. Auch kann die Kanzlerin versuchen, die Öffentlichkeit für sich und ihren Kurs zu gewinnen, was sie derzeit ungewohnt oft vor der Presse tut. Die Lage ist ja auch dramatisch. Nur: Vorschriften kann sie kaum machen, den Ministerpräsidenten im föderalen System schon gar nicht. Deswegen sind in Berlin die Zweifel groß, ob Merkels neue Exit-Zeitschiene bis zum 6. Mai überhaupt zu halten ist.

Zumal es schon am 30. April die nächste Beratung mit den Bundesländern geben wird. Viele Erwartungen haben sich bisher mit diesem Treffen verknüpft. Beispielsweise dass Restaurants unter Auflagen bald wieder öffnen können. Erst recht wenn tatsächlich ab dem 3. Mai die Kontaktbeschränkungen fallen sollten. Welche Themen nun an welchem der beiden Termine besprochen werden – also am 30. April und am 6. Mai – lasse sich noch nicht sagen, so die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer. Aber: Beide Male würden die „epidemiologische Gesamtsituation“ eine wichtige Rolle spielen. Für Merkel gilt: Nach jeder Lockerung sollten möglichst 14 Tage ins Land gehen, damit sich die Auswirkungen auf die Ausbreitung des Corona-Virus bewerten lassen. Deswegen kämpft die Kanzlerin jetzt um jeden Tag.

Mit der nun von ihr verkündeten Verschiebung von Entscheidungen läuft die Regierungschefin freilich Gefahr, dass die Bundesländer dann doch wieder im Alleingang voranpreschen. Die Exit-Strategien einiger Ministerpräsidenten sind zum Teil deutlich andere als die der Kanzlerin. Ein Beispiel: die Gottesdienste. Während das Bundesinnenministerium mit den Vertretern der Konfessionen über das weitere Vorgehen berät und derzeit mehrere Konzepte prüft, haben einige Länder längst Fakten geschaffen, wann die Gotteshäuser wieder öffnen dürfen.

Druck bekommt Merkel auch von der Opposition. Insbesondere von der FDP, die den Kampf um eine Exit-Strategie für sich entdeckt hat. „Wer einzelnen Bundesländern forsche Lockerungen vorwirft, sollte sich mit den Ländern enger und nicht seltener abstimmen.“ Mit diesen Worten kritisierte gestern Parteichef Christian Lindner das Vorhaben, erst am 6. Mai über weitere Lockerungen entscheiden zu wollen. Wenigstens etwas Positives kann die Kanzlerin verbuchen: Laut jüngstem Politbarometer sind 83 Prozent der Deutschen mit ihr als Krisenmanagerin zufrieden.

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