Beobachtung durch Verfassungsschutz AfD-Landeschefs machen gegen Höcke-„Flügel“ mobil

Berlin/Düsseldorf · Nachdem der Verfassungsschutz die Organisation als rechtsextrem eingestuft hat, werden auch Forderungen nach einer kompletten Auflösung laut.

Mehrere Spitzenfunktionäre westlicher AfD-Landesverbände haben den Bundesvorstand der Partei aufgefordert, dem vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften „Flügel“ Einhalt zu gebieten. Auch Ordnungsmaßnahmen gegen den „Flügel“-Gründer und Thüringer Landesvorsitzenden Björn Höcke und den zweiten „Flügel“-Frontmann, Brandenburgs AfD-Chef Andreas Kalbitz, sind im Gespräch. Der Landesvorstand der AfD in Nordrhein-Westfalen dringt sogar auf eine vollständige Auflösung der informellen Vereinigung, die nach Schätzungen des Verfassungsschutzes rund 7000 Anhänger hat.

Die Auflösung des „Flügels“ und weitere Maßnahmen seien geeignet, „wieder Ruhe in unsere Partei einkehren zu lassen und die bereits begonnene Austrittswelle zu stoppen“, heißt es in einem Brief, den der NRW-Landesvorsitzende Rüdiger Lucassen am Mittwoch an die beiden Parteichefs, Jörg Meuthen und Tino Chrupalla, schickte.

In dem Schreiben, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, fordert Lucassen den Bundesvorstand auf, Veranstaltungen, Auftritte und andere Zusammenkünfte von AfD-Mitgliedern unter der Bezeichnung „Flügel“ zu verbieten. Die Protagonisten des „Flügels“ hätten sich „vorbehaltlos in Diktion und Duktus den Zielen und der Programmatik der AfD unterzuordnen“.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte den „Flügel“ in der vergangenen Woche zum Beobachtungsfall im Bereich Rechtsextremismus erklärt. Die Mehrheit der AfD-Funktionäre ist zwar der Auffassung, das Bundesamt für Verfassungsschutz werde „politisch instrumentalisiert“, um der AfD zu schaden. Dennoch wächst die Kritik an Kalbitz und Höcke.

Der Bundesvorstand will sich am kommenden Freitag – ungeachtet der Coronavirus-Krise – in Berlin treffen. Es heißt, auch der Ehrenvorsitzende Alexander Gauland wolle kommen. Dann soll dem Vernehmen nach darüber beraten werden, wie die Partei auf die jüngste Entscheidung des Verfassungsschutzes reagieren sollte. Ob dann direkt schon ein Beschluss gefasst wird, ist aber noch offen.

Der rheinland-pfälzische AfD-Fraktionschef Uwe Junge will, dass dann auch eine Rede Höckes bei einem „Flügel“-Treffen in Sachsen-Anhalt zur Sprache kommt. Außerdem thematisiert Junge in dem Brief an die Parteivorsitzenden einen Bericht des „Spiegel“ zu einer früheren Mitgliedschaft von Kalbitz in der „Heimattreuen Deutschen Jugend“ (HDJ), die dieser bestreitet. Die Gruppierung war 2009 verboten worden und steht auf der sogenannten Unvereinbarkeitsliste der AfD. Das bedeutet: Wer dort Mitglied war, darf in der AfD nicht aufgenommen werden.

In dem internen Schreiben, das Junge diese Woche an Parteifreunde verschickte, heißt es: „Ich erhalte aus allen Teilen des Landes empörte Meldungen und die unübersehbare Bereitschaft, die Partei zu verlassen, wenn jetzt nicht entschlossen reagiert wird.“ Er erwarte „eine harte Ordnungsmaßnahme gegen Höcke und die Löschung der Mitgliedschaft von Kalbitz wegen falscher bzw. lückenhafter Angaben bei Eintritt“. Die „herabwürdigenden Aussagen von Björn Höcke gegenüber den innerparteilichen Kritikern“ seien unerträglich. Und, an die Mitglieder des Parteivorstandes gerichtet: „Mein weiteres Engagement in der Partei mache ich von Eurer Entscheidung am Freitag abhängig!“

Zuvor hatte in der AfD eine Videoaufnahme die Runde gemacht, die eine Ansprache Höckes bei einem Treffen von „Flügel“-Mitgliedern aus Sachsen-Anhalt am 6. März zeigt. Darin ist zu hören, wie er sagt: „die nicht in der Lage sind, Disziplin zu leben. Die, die nicht in der Lage sind, das Wichtigste zu leben, was wir zu leisten haben, nämlich die Einheit, dass die allmählich auch mal ausgeschwitzt werden sollten.“

Höcke selbst hatte am Montag auf seiner Facebook-Seite erklärt: „In bösartiger Art und Weise wird mir mit Hilfe eines kleinen Filmausschnittes unterstellt, ich hätte Wortspiele mit einem Vernichtungslager gemacht. Das ist infam.“

AfD-Bundesvorstandsmitglied Alexander Wolf sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: „Das Projekt der Partei ist ernsthaft in Gefahr. Der Flügel muss jetzt seine Strukturen offenlegen. Das wird zeigen, dass er eine deutlich geringere Größe hat als von vielen angenommen und nicht prägend ist für die Partei. Wenn er dazu nicht bereit ist, muss er sich auflösen zum Wohle der Partei.“

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