Corona-Politik in der EU Beim neuen EU-Impfpass bleiben viele Fragen offen

Berlin · Die EU-Länder haben sich auf neue Impfzertifikate verständigt, die ab dem Sommer das Reisen in Europa wieder möglich machen sollen. Doch die konkrete Umsetzung bleibt noch im Vagen. Schon jetzt erleben unverheiratete Paare an den Grenzen besondere Härten.

Ein neuer EU-Impfpass soll das Reisen in Europa ab dem Sommer wieder ermöglichen - doch noch sind viele Fragen offen.

Ein neuer EU-Impfpass soll das Reisen in Europa ab dem Sommer wieder ermöglichen - doch noch sind viele Fragen offen.

Foto: dpa-tmn/Christin Klose

Nach langen und harten Wochen der Corona-Beschränkungen könnte der europäische Impfpass bald Erleichterungen bringen und wieder Reisen in Europa möglich machen. Das zumindest ist die Idee hinter den neuen Impfzertifikaten, auf die sich die EU-Mitgliedsstaaten beim Videogipfel am vergangenen Donnerstag verständigten. Der Impfpass soll auch der gebeutelten Reise- und Tourismusbranche aus der Krise helfen. Entsprechend hatten besonders Urlaubsländer wie Österreich, Griechenland, Zypern und Spanien auf eine Einigung gepocht.

Das Ergebnis der Gipfelgespräche blieb allerdings denkbar vage und besteht primär aus einer Absichtserklärung: „Wir rufen dazu auf, dass die Arbeit an einem gemeinsamen Ansatz für Impfzertifikate weiter geht und werden uns damit wieder befassen“, heißt es in der gemeinsamen Erklärung der EU-Staaten.

Offen ist vor allem die konkrete Ausgestaltung des Impfpasses, die in der Hand der einzelnen Länder liegt. Ob das Zertifikat in Papierform oder in Form einer App umgesetzt wird, könnte also am Ende variieren. Ziel ist es, die nationalen Lösungen so aufeinander abzustimmen, dass der Impfpass überall in der EU einheitlich ausgelesen werden kann. Kann man damit wieder Hotels, Restaurants oder Theater besuchen? Auch die Frage der Zugänge ist derzeit noch völlig ungeklärt.

Der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber (CSU), pochte auf eine schnelle Ausgestaltung. „Vor allem für Pendler, Dienst- oder Urlaubsreisen kann das Zertifikat Erleichterungen bringen. Wir brauchen umgehend eine Klärung der Details“, sagte Weber unserer Redaktion. Der Impfpass solle „so schnell wie möglich“ bereitgestellt werden. Weber sieht darin auch einen Weg, „nationale Alleingänge“ in der EU bei der Pandemiebewältigung zu verhindern.

Die Grünen forderten eine europaweit einheitliche Umsetzung. „Es ist wichtig, dass es einen gemeinsamen europäischen Ansatz gibt und keinen europäischen Flickenteppich“, sagte die europapolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Franziska Brantner, unserer Redaktion. Zudem hält sie eine „gemeinsame Datenlage“ für notwendig. Dabei hat Brantner etwa die Anzahl von Corona-Tests und Sequenzierungen in den einzelnen EU-Ländern im Blick, um das Infektionsgeschehen vergleichbar machen zu können.

Auch im Hotel- und Gaststättengewerbe wird der Impfpass begrüßt. Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin des Dehoga-Bundesverbands, vor allem aber vor allem „mehr Tempo beim Impfen“. „Natürlich gewinnt diese Lösung erst dann an Relevanz, wenn eine relevante Impfquote erzielt ist und alle Menschen, die sich impfen lassen wollen, dies auch tun können“, sagte Hartges mit Blick auf die Impfzertifikate. Generell müsse aber auch die Möglichkeit bestehen, mit einem Negativ-Test reisen zu können. Die Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands pochte auf eine „professionelle Impf- und Teststrategie“.

Bis zur Rückkehr zum privaten Reisen gibt es also noch viele Frage zu  klären. Im ganz normalen Corona-Alltag ist es für unverheiratete Paare, die nicht gemeinsam in Deutschland leben, schon jetzt ungleich schwerer, sich zu treffen, als für verheiratete Paare. So gibt es für die Einreise aus Ländern, die die Bundesregierung mit verschärften Reisebeschränkungen belegt hat, zwar Ausnahmen für die sogenannte „Kernfamilie“. Dies gilt allerdings nicht für unverheiratete Partner mit unterschiedlichen Nationalitäten. Die Bundesregierung begründet die Ungleichbehandlung mit der Gefahr durch das Virus. „Mit Blick auf das verfolgte Ziel der Eindämmung der Verbreitung neuer Virusvarianten hat die Bundesregierung die möglichen Ausnahmen bewusst eng gefasst“, heißt es in einer Antwort des Bundesinnenministeriums (BMI) auf eine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Brantner, die unserer Redaktion exklusiv vorliegt. Unverheiratete ausländische Partner fallen demnach „nicht unter diese eng begrenzten Ausnahmen“, die in der Corona-Schutzverordnung geregelt sind. Diese Regelung gilt für Länder, die als Virusvarianten-Gebiete eingestuft sind.

Bei Brantner stößt diese Begründung auf großes Unverständnis, sie sieht eine Diskriminierung der Betroffenen. „Die Bundesregierung hat nichts aus den Fehlern beim ersten Lockdown gelernt und diskriminiert wieder unverheiratete Paare an den Grenzen“, sagte die europapolitische Grünen-Sprecherin. Unverheiratete Paar würden „sich genauso lieben wie verheiratete Paare“. Aus Brantners Sicht dürfe die Zuschreibung „Kernfamilie“ hier keine Rolle spielen. Um für die betroffenen Paare Erleichterungen zu schaffen und Besuche besser zu ermöglichen, forderte sie einen verstärkten Einsatz von Schnelltests an den Grenzen. Sie appellierte: „Liebe ist kein Tourismus.“

Die Bundesregierung hingegen sieht in vermehrten Schnelltests kein geeignetes Mittel, um für Unverheiratete die Lage zu erleichtern. Begründet wird dies mit der begrenzten Aussagekraft dieser Test. Einmalige Antigen-Schnelltests vor oder bei Einreise könnten „den Eintrag neuer Virusvarianten nur teilweise eingrenzen“, da eine Person trotz negativen Testergebnisses infiziert sein könnte, wie es in der Antwort des BMI heißt.

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