Kanzler stellt sich den Abgeordneten Bei Regierungsbefragung: Scholz nennt AfD „die Partei Russlands“

Berlin · Bundeskanzler Olaf Scholz stellt sich den Fragen der Abgeordneten. Er bleibt ruhig, kontert bohrende Nachfragen zur Krise – nur einmal wird er gegenüber der AfD bissig.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht bei der Regierungsbefragung in der Plenarsitzung im Deutschen Bundestag.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht bei der Regierungsbefragung in der Plenarsitzung im Deutschen Bundestag.

Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Mittwochnachmittag im Bundestag, Olaf Scholz steht an seinem Platz der Regierungsbank. Das Rednerpult bleibt leer, so läuft es bei der Regierungsbefragung. Scholz nutzt gleich zu Beginn die Gelegenheit, um an die dramatischen Zeiten zu erinnern, die derzeit herrschen. Krieg in der Ukraine, „Zeitenwende“ in Deutschland und der Europäischen Union. Ukraine-Beitrittsperspektive nach 27 Ja-Stimmen in der EU findet Scholz „sehr bemerkenswert“. Und dann will der SPD-Politiker die Arbeit seiner Koalition in ein gutes Licht rücken. Konzertierte Aktion mit Gewerkschaften und Arbeitgebern in der Krise, Entlastungen für Arbeitnehmer und Familien, Energiegeld und, und, und. Vieles beschlossen, vieles auf dem Weg, die Botschaft lautet: Die Ampel liefert. Und man müsse sich jetzt unterhaken. Scholz überzieht seine Redezeit leicht.

Und vom ersten Fragenden kassiert er einen Rüffel. Johann Wadephul (CDU) erinnert den Kanzler daran, dass es ja eine Regierungsbefragung sei, keine Regierungserklärung. 60 Minuten haben dabei die Abgeordneten aller Fraktionen Zeit, Mitglieder der Koalition zu löchern. Dieses Mal stellt Scholz sich den Fragen. Kurz vor der parlamentarischen Sommerpause. Mitten in der Gaskrise, ausgelöst durch die Unsicherheit russischer Lieferungen. Preisexplosionen, Personalmangel nicht nur an Flughäfen, Corona-Krise, die Liste möglicher Themen ist lang.

Wadephul wiederholt jedoch eine Frage, die der Kanzler zuletzt beim G7-Gipfel in Elmau vor gut einer Woche von einer Journalistin gestellt bekommen hatte – und diese stehen ließ, was ihm den Vorwurf der Arroganz einbrachte. Ob der Kanzler konkretisieren könne, zu welchen Sicherheitsgarantien für die Ukraine sich die G7 bekennen. Scholz bleibt auch jetzt im Bundestag vage, auch wenn er weitaus ausführlicher antwortet – und erstmal „schönen Dank“ für die Frage sagt. Unter anderem führt er aus, dass es nicht solche Sicherheitsgarantien sein würden, die Artikel 5 des Nato-Vertrages entsprächen. Dieser Artikel regelt den Bündnisfall bei einem bewaffneten Angriff auf ein oder mehrere Nato-Mitglieder. Auch Sanktionen gegen Russland nannte Scholz. Wadephul fragt nach, warum Scholz der Journalistin nicht eine ähnliche Antwort gegeben und sie stattdessen „brüsk“ abgewiesen habe. Scholz verteidigt sich und sagt, dass er die Frage bei der G7-Pressekonferenz bereits auf diese Art beantwortet habe.

Regierungsbefragung heißt für die Opposition: Frontalangriff. Als der AfD-Abgeordnete Steffen Kotré es versucht und dem Kanzler vorwirft, die Sanktionen gegen Russland seien „nutzlos“ und fordert, die Gaspipeline Nord Stream 2 in Betrieb zu nehmen, sorgt das für einen der wenigen unruhigen Momente beim Kanzler während der Befragung. „Ich halte fest: Die AfD ist nicht nur eine rechtspopulistische Partei, sondern auch die Partei Russlands“, kontert Scholz. Deutschland bereite sich auf den Verzicht auf russisches Öl und Gas vor und errichte dafür auch die notwendige Infrastruktur. „Das ist wirkliche Energiesicherheit für Deutschland im Sinne aller Bürgerinnen und Bürger“, so Scholz.

Auf mehrmalige Nachfrage der Unionsfraktion wenig später, warum Panzer wie der „Marder“ nicht an die Ukraine geliefert würden, verweist Scholz auf einen Ringtausch für Waffenlieferungen, bei dem osteuropäische Bündnispartner Waffen sowjetischer Bauart in die Ukraine liefern und dafür Waffen aus Deutschland als Ausgleich erhalten. Die Bundesregierung habe „mit mehreren Ländern diese Vereinbarungen jetzt soweit konkretisiert, dass sie unmittelbar mit Auslieferung verbunden sein werden“, sagt Scholz. Einzelheiten nennt er nicht, stellt jedoch klar: Es werde keine Alleingänge geben.

Dass es bei der Regierungsbefragung aber nicht nur auf den Schlagabtausch mit der Opposition ankommt, sondern auch auf Zwischentöne im eigenen Regierungslager, zeigt dann dieses Beispiel: Als der FDP-Abgeordnete Christoph Meyer auf die hohen Preissteigerungen verweist und für die Zeit nach der Sommerpause Entscheidungen zum Ausgleich der kalten Progression fordert, sagt Scholz zunächst auch wieder: „Schönen Dank für diese Frage.“ Doch dann warnt er die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP vor Vielstimmigkeit. Das Land müsse nun „wegkommen“ von der Situation, dass es „jeden Morgen einen neuen Vorschlag“ gebe, sagt Scholz. Nun müssten zunächst die Sozialpartner im Rahmen der konzertierten Aktion im September Vorschläge ausarbeiten – und dann werde es „ein gemeinsames Handeln der Regierung geben: schnell, zügig, zielgerichtet“. Andernfalls stifte man Verwirrung in der Bevölkerung. „Wenn jetzt ein großer, riesiger Klangteppich an Vorschlägen über alles gelegt wird, dann werden die Bürgerinnen und Bürger nicht mehr das Gefühl haben, dass wir als die Verantwortlichen das tun, wozu wir aufgefordert sind“, sagt Scholz. Nach einer Stunde darf der Krisenkanzler gehen. Und auch von einigen Abgeordneten kommt ein schöner Dank für die Möglichkeit der Befragung.

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