Beamtenbund warnt vor Personalengpässen auch an Flughäfen, bei Autobahnmeistereien oder in der Schifffahrt

Berlin · Der Bundesvorsitzende der Organisation, Klaus Dauderstädt (64), fordert im Gespräch mit unserem Korrespondenten Werner Kolhoff ein Ende der Sparpolitik im Öffentlichen Dienst und warnt vor Engpässen auch in anderen Bereichen als der Bahn.

Wer ist aus Ihrer Sicht Schuld an der Situation in Mainz?
Klaus Dauderstädt: Das Ganze ist ein Musterbeispiel für schlechtes Personalmanagement. Nicht nur in Mainz, sondern im Unternehmen Bahn generell. Hier hat es an Nachwuchsgewinnung, an Zukunftsorientierung gefehlt. Es ist ja offenbar nicht einmal möglich, kurzfristig von anderen Stellwerken Personal abzuziehen, weil die Personaldecke überall zu dünn ist. Also könnte auch an anderen Bahnhöfen so eine Situation jederzeit eintreten.

In jedem Büro, in jedem Laden, in jeder Firma gibt es eine Urlaubsplanung, die sicherstellt, dass die Arbeit im Sommer weitergeht.
Klaus Dauderstädt: Sicher wurde auch in Mainz eine Urlaubsplanung gemacht. Aber offenbar haben schon wenige zusätzliche Krankheitsfälle die prekäre Situation ausgelöst. So ist das eben, wenn man zu knapp kalkuliert, weil die Personaldecke zu dünn ist. Der Schaden ist enorm. Innerhalb von wenigen Tagen ist das Image, das die Bahn sich mühsam mit teurer Werbung aufzubauen versucht, wieder zunichte gemacht. Man hätte besser in mehr Personal investiert, statt in Plakate.

FDP-Spitzenkandidat Rainer Brüderle meint, nach einem Börsengang der Bahn wäre so etwas nicht passiert.
Klaus Dauderstädt: Genau der gegenteilige Schluss ist richtig. Die Bahn ist ja schon privatisiert. Der Fall Mainz zeigt, dass man die öffentliche Infrastruktur nicht wie einen profitorientierten Großkonzern führen kann. Die Gesellschaft muss sich klar werden, was sie in private Hände geben will und was in öffentliche Verwaltung.

Ist das Problem auf die Bahn beschränkt?
Klaus Dauderstädt: Nein, ganz und gar nicht. Ob Schleusenwärter, Flughafenfeuerwehr, Autobahnmeistereien, die Informationstechniker in einer Finanzverwaltung - es gibt überall im Öffentlichen Dienst solche Schlüsselfunktionen. Und fast überall fehlt es an Personal, was schnell zu ähnlich existentiellen Engpässen führen kann. Zum Beispiel führen die Lebensmittelkontrolleure derzeit praktisch nur noch Stichproben durch. Da muss man sich dann über Fleischskandale nicht wundern.

Gibt es auch demografische Gründe für den Mangel?
Klaus Dauderstädt: Auch. Die Nachwuchsgewinnung wird immer schwieriger. Umso wichtiger ist es, dass die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst auch attraktiv bezahlt werden, statt sie immer wieder mit Nullrunden abzuspeisen.

Ist das Ihre wichtigste Erwartung an die Parteien im Wahlkampf?
Klaus Dauderstädt: Ja. Der Öffentliche Dienst muss wieder gestärkt werden und seine Rolle so ausüben können, wie es ein funktionierendes Gemeinwesen braucht. Die Politik der Sparrunden muss beendet werden. Dazu gehört auch, dass die 2006 neu eingeführte Zuständigkeit der Länder für die Beamteneinkommen wieder abgeschafft wird.

Warum?
Klaus Dauderstädt: Es gibt Länder, die die Verhandlungsergebnisse für die Arbeiter und Angestellten eins zu eins auf die Beamten übertragen. Es gibt aber auch eine Reihe von Ländern, die das nicht vollständig machen oder gar komplette Nullrunden verkünden, wie gerade der höhere Dienst in Nordrhein-Westfalen erleben muss. Das führt zu einer Negativspirale und Staatsverdrossenheit bei den Staatsdienern.

Hintergrund ist die Schuldenbremse. Die Länder müssen sparen.
Klaus Dauderstädt: Da muss man eben überlegen, wofür man sein Geld ausgibt und wo man Prioritäten setzt. Was ist wichtiger: Ein funktionierender Polizeischutz gegen Einbrüche oder ein geteerter Fahrradweg hinterm Haus?

Angela Merkel hat den Arbeitgeberverbänden versprochen, die Tarifeinheit in den Unternehmen wieder herzustellen, damit Spartengewerkschaften nicht Deutschland lahm legen können. Was halten Sie davon? Bei Ihnen ist auch die Gewerkschaft der Lokomotivführer (GDL) organisiert.
Klaus Dauderstädt: Ich kann davor nur warnen, denn das wäre ein Eingriff in die grundgesetzlich garantierte Koalitionsfreiheit. Wir als DBB kooperieren gut mit Verdi und koordinieren unsere Tarifforderungen und unsere Verhandlungen. Das ist der Beweis, dass das geht. Die Probleme sind eigentlich nur in wenigen Bereichen aufgetaucht, auf den Flughäfen, in den Kliniken und bei der Bahn. Dafür sollte man das Grundgesetz nicht verletzen.

Droht bei der Bahn im nächsten Jahr wieder ein großer Streik, wenn gleichzeitig die Einkommen neu verhandelt werden und der Grundlagentarifvertrag ausläuft, der den gegenseitigen Überbietungswettbewerb der Gewerkschaften dort etwas befriedet hat?
Klaus Dauderstädt: Die GDL ist auch in der Vergangenheit verantwortungsbewusst mit ihrer Rolle umgegangen. Ich baue darauf, dass die Bahn den Konflikt nicht zu Lasten der Bahnkunden hochschaukeln lassen wird. Allerdings, wenn der Grundlagentarifvertrag von der Arbeitgeberseite nicht verlängert wird, wird es sicher eine harte Auseinandersetzung geben.

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