Bauernpräsident Rukwied über Freihandel „Das Abkommen ist eine große Bedrohung“

Interview | Berlin · Kanzler Scholz drängt auf mehr Freihandel, er setzt vor allem auf die Mercosur-Staaten. Nun warnt aber der Bauernverband vor großen Nachteilen für die deutschen Landwirte. Das Abkommen müsse dringend neu verhandelt werden, so Präsident Joachim Rukwied.

18.01.2023, Berlin: Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes, steht vor der Eröffnung der Grünen Woche auf dem ErlebnisBauernhof vor einem Traktor der Marke John Deere. Die Grüne Woche, die weltgrößte Messe für Ernährung, Landwirtschaft und Gartenbau, findet vom 20. bis 29. Januar 2023 auf dem Gelände der Messe Berlin statt. Foto: Fabian Sommer/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

18.01.2023, Berlin: Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes, steht vor der Eröffnung der Grünen Woche auf dem ErlebnisBauernhof vor einem Traktor der Marke John Deere. Die Grüne Woche, die weltgrößte Messe für Ernährung, Landwirtschaft und Gartenbau, findet vom 20. bis 29. Januar 2023 auf dem Gelände der Messe Berlin statt. Foto: Fabian Sommer/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Foto: dpa/Fabian Sommer

Herr Rukwied, mehr Freihandel soll die Folgen des Ukraine-Krieges abmildern. Ist das der richtige Weg?

Rukwied Handel ist grundsätzlich wichtig und richtig. Gleichzeitig will die EU mit dem Green Deal Vorreiter beim Klima- und Umweltschutz sein. Die Wettbewerbsfähigkeit unserer Landwirtschaft droht aber durch immer höhere Standards und eine zunehmende Verbotspolitik innerhalb der EU verloren zu gehen. Verlagerung und Verdrängung der Erzeugung durch Agrarimporte zu Dumping-Standards sind die Folge. Denken Sie an Tierwohlställe oder den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Da ist im Ausland vieles möglich, was hier seit Jahren verboten ist.

Konkret geht es um ein Abkommen der EU mit den Mercosur-Staaten Südamerikas, das Kanzler Scholz schnell abschließen will. Enthält es faire Bedingungen?

Rukwied Nein, die deutschen Landwirte hätten große Nachteile. Ankündigungen von Brasiliens Präsident Lula, die Regenwaldrodung zu beenden, die Landrechte der Bauern zu schützen und die EU-Standards einhalten zu wollen, sind noch viel zu unbestimmt. Die Bundesregierung wiederum neigt dazu, den Agrarhandel nachrangig gegenüber dem Handel mit Industrieprodukten zu gewichten.

Daraus folgt?

Rukwied Maschinen und Chemieprodukte sollen im Mercosur-Abkommen offenbar gegen Fleisch- und Zuckerimporte gedealt werden. Doch solch ein Deal wäre nicht zukunftsfähig. Gesellschaftliche und politische Mehrheiten für Handelsabkommen gibt es bei uns nur, wenn die Lebensmittelstandards eingehalten werden. Das hat das Scheitern des Handelsabkommens mit den USA, TTIP, gezeigt.

Was wären die Konsequenzen für die deutschen Bauern?

Ruwied Die deutsche Landwirtschaft wäre vor allem durch zusätzlichen Importdruck bei Fleisch und Zucker betroffen. Das Mercosur-Abkommen ist für die Bauern mit Schweine-, Geflügel- und Rinderhaltung eine große Bedrohung. Neue Investitionen in Tierwohlställe wären dann nicht mehr möglich, vor allem wenn die Fleischkennzeichnung so lückenhaft bleibt wie derzeit. Die Verbraucher müssen die Importware einschließlich ihrer Produktionsstandards wenigstens im Ladenregal erkennen können, was heute nicht der Fall ist.

Welche Forderungen richten Sie an Bundesregierung und EU?

Rukwied Das Mercosur-Abkommen darf so nicht kommen. Es muss neu verhandelt werden. Klarzustellen ist, dass die Ziele des Green Deals, etwa die Minderung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln, genauso für Importe gelten müssen. Gleiches gilt für unsere Tierwohlstandards. Hält Südamerika diese Standards dann nicht ein, müssen die Importe von der EU gestoppt werden können. Allgemeine Bekenntnisse für mehr Nachhaltigkeit im Handel reichen jedenfalls nicht aus.

Bedeutet mehr Freihandel zumindest sinkende Preise für die Verbraucher?

Rukwied Es ist doch schlichtweg grotesk, wenn Lebensmittel um die halbe Welt transportiert werden, obwohl wir sie vor der eigenen Haustür nachhaltiger erzeugen könnten. Zudem würden wir noch abhängiger von Importen, also könnten in Krisensituationen die Preise stärker steigen.

In Großbritannien gibt es massive Nachschubprobleme bei Gemüse. Drohen Einschränkungen auch in Deutschland?

Rukwied Großbritannien ist ähnlich wie Deutschland massiver Importeur bei Gemüse und Obst, vor allem aus Südeuropa. Dabei macht der Brexit den Unterschied. Die bürokratischen und zeitaufwendigen Zollformalitäten schrecken viele Händler ab und die knappe Ware bleibt auf dem Kontinent. Die Meldungen von der Insel beweisen also den großen Vorteil des EU-Binnenmarktes für die sichere Versorgung mit Lebensmitteln in Deutschland. Die deutsche Erzeugung von Obst und Gemüse ist aber akut bedroht, vor allem durch den Mindestlohn von 12 Euro und nationale Einschränkungen bei Pflanzenschutz und Düngung. Das macht es unseren Bauern noch schwerer, wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Gefahr, dass noch mehr Lebensmittel aus dem Ausland kommen, ist groß.

(has)
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