Berlin Die Friedrichstraße tauscht Auto-Abgase gegen Sekt im Freien

Berlin · Stinkende Kloake und Barrikadenkämpfe, ein ausschweifendes Nachtleben und schicke ­Restaurants, Zerstörung und Teilung durch eine Grenze, Auferstehung als Shopping- und Amüsiermeile: In ihrer mehr als 200-jährigen Geschichte hat die Berliner Friedrichstraße schon viele Höhen und Tiefen erlebt.

 Die berühmte Berliner Friedrichstraße wird dieses Wochenende auf einem Abschnitt für Autos gesperrt. Das soll Schule machen.

Die berühmte Berliner Friedrichstraße wird dieses Wochenende auf einem Abschnitt für Autos gesperrt. Das soll Schule machen.

Foto: picture alliance/dpa/dpa Picture-Alliance / Paul Zinken

Nun könnte sie sich ein nächstes Mal neu erfinden.

An diesem Wochenende wird der Abschnitt zwischen Französischer Straße und Mohrenstraße nahe dem Gendarmenmarkt mitten im Herzen der Hauptstadt für Autos gesperrt. Für zwei Tage sollen die Menschen erleben können, wie sich Großstadt ohne Verkehrslärm, Stau und Abgasgeruch anfühlt. Stattdessen gibt es Modenschauen, Musik und Sekt im Freien.

Was sich recht banal anhört, grenzt in der Autostadt Berlin an eine Revolution. Denn das Auto ist für viele Berliner nach wie vor liebstes Kind, auch wenn sie damit oft nur langsam vorankommen. Nun könnte der Test in der Friedrichstraße zur Blaupause für die Verkehrswende weg vom Auto werden, die der rot-rot-grüne Senat seit drei Jahren propagiert und schrittweise umsetzen will. „Zurzeit ist die Friedrichstraße vor allem eines: ungemütlich, laut, nicht wirklich einladend“, sagt der Bezirksbürgermeister von Berlin-Mitte und Initiator des Projekts, Stephan von Dassel (Grüne). Viele Menschen in der Stadt wünschten sich „mehr Flächengerechtigkeit“, eine bessere Aufenthaltsqualität und nachhaltige Mobilität.

Von Dassel plant rund um das verkaufsoffene zweite Adventswochenende bereits die zweite autofreie Phase an der Friedrichstraße. Und im kommenden Jahr soll unter Mitwirkung der Senatsverkehrsverwaltung ein mehrwöchiger Versuch folgen, der dann wissenschaftlich begleitet wird.

Die Fußgängerlobby findet das Vorhaben gut und kann sich vorstellen, es auszudehnen. „Es ist zu hoffen, dass das die Friedrichstraße beleben wird“, sagt Roland Stimpel vom Fachverband Fußverkehr in Deutschland. Denn zuletzt kriselte die Einkaufsmeile. Die Rede ist von rund 20 Prozent Leerstandsquote.

Bringen Fußgängerzonen neben sauberer Luft mehr Umsatz? Der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg, Nils Busch-Petersen, sieht darin keinen Automatismus. „Es ist dilettantisch, auch verkehrspolitisch, wenn einem nichts anderes einfällt, als einzelne Straßenabschnitte zu sperren“, sagt er. Ihm fehle ein Gesamtkonzept, die Frage sei, wo der Verkehr denn stattdessen fließen solle.

Die Hauptstadt Berlin steht mit dem Bemühen, Fußgängern und Radfahrern mehr Raum zu geben, nicht allein in Deutschland. Frankfurt, München und Hamburg haben bereits Versuche gestartet, einige Straßen in der Innenstadt mittel- oder längerfristig für Autos zu sperren.

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