Branche gibt sich betont grün Der „schöne Schein“ der IAA

Frankfurt/Main · Auf der Internationalen Automobilausstellung gibt sich die Branche betont grün. Gleichzeitig setzt sie weiter auf den SUV. Passt das zusammen?

 Auf der Internationalen Automobilausstellung demonstrieren die Hersteller, dass sie an klimafreundlicheren Modellen arbeiten. So präsentiert BMW eine Brennstoffzelle vor einem BWM iHydrogen Fuel Cell – einem SUV, der mit einer solchen mit Wasserstoff gespeisten Zelle betrieben wird. Er soll bis 2022 auf den Markt kommen.

Auf der Internationalen Automobilausstellung demonstrieren die Hersteller, dass sie an klimafreundlicheren Modellen arbeiten. So präsentiert BMW eine Brennstoffzelle vor einem BWM iHydrogen Fuel Cell – einem SUV, der mit einer solchen mit Wasserstoff gespeisten Zelle betrieben wird. Er soll bis 2022 auf den Markt kommen.

Foto: dpa/Uwe Anspach

Sind die Autohersteller Teil des weltweiten Klimaproblems oder vielleicht auch ein Teil der Lösung? Auf der Internationalen Automobilausstellung IAA in Frankfurt werden die drängenden Fragen der künftigen Mobilität verhandelt – aber gleichzeitig müssen die Hersteller gegen den ungünstigen Markttrend auch möglichst viele Autos verkaufen. Umweltschützer wollen Mercedes, BMW und Co. wegen des stetig steigenden Absatzes schwerer Stadtgeländewagen an den Klima-Pranger stellen. Die Hersteller halten mit einer Vielzahl zumeist noch angekündigter Elektromodelle dagegen.

Die dicken SUV-Dinger sind auf der geschrumpften IAA immer noch an jeder Ecke präsent. Schließlich wächst das Segment weltweit, und die Firmen verdienen mit größeren Autos mehr als bei den ausgereizten Kleinwagen. Stark umlagert von Fotografen und Kameras ist der neue „Defender“ von Land Rover – die britische Geländewagen-Ikone, die im 21. Jahrhundert auch mit einem „Urban Pack“ angeboten wird. Dazu dichtet die Marketing-Abteilung: „Erobern Sie den Großstadt­dschungel. Mit dem Urban Pack zieht der Defender in der Stadt mit Stil, Selbstvertrauen und Gelassenheit alle Blicke auf sich.“

Dass die Konzerne sich Gedanken um die Klimadebatte gemacht haben, ist ihren Auftritten deutlich anzumerken. „Was die nächste Generation am meisten bewegt, ist der Klimawandel“, sagt der neue BMW-Chef Oliver Zipse. Bei den Münchnern durften Windräder als Bestandteil der Videoshow genauso wenig fehlen wie bei Mercedes-Benz die grünen Stadtansichten Frankfurts. Genauso wie der Verweis, dass die Produktion von BMW in Europa schon CO2-neutral sei, und bei Mercedes die europäischen Werke 2022 so weit sein sollen.

Die größte Show zieht Volkswagen für seinen Kompaktwagen ID.3 ab, der dem Konzern in der Elektrowelt golf- und käferähnliche Verkaufszahlen bringen soll. VW-Chef Herbert Diess wird nicht müde, für seinen Elektrokurs politische Unterstützung einzufordern.

Opel-Chef Michael Lohscheller ist an seinem auf ein Drittel geschrumpften Messestand ganz zufrieden damit, dass sein Unternehmen nur kleine bis mittlere SUV baut. Auf eine Zukunft der ganz großen Wagen würde er nicht wetten, gibt der Manager zu Protokoll.

Die konjunkturelle Lage bereitet den Anbietern – zusammen mit der Öko-Kritik – dennoch massive Probleme. „Der schöne Schein kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Branche sich im Krisenmodus befindet“, schreiben die Branchenexperten der Privatbank Merck. Bei der Beratungsgesellschaft PwC sieht man die Situation ähnlich: Echte Strukturveränderungen seien im zurückliegenden Jahrzehnt ausgeblieben, meint Branchenbeobachter Felix Kuhnert. Die großen Zulieferer bekommen die nachlassende Nachfrage nach herkömmlicher Verbrenner-Technologie bereits deutlich zu spüren. Continental-Chef Elmar Degenhart erklärte am Rande der IAA, man könne in mittlerer Frist betriebsbedingte Kündigungen „als letztes Mittel nicht ausschließen“.

Es gibt aber auch Optimismus. So glauben Experten der Denkfabrik Agora Verkehrswende, dass der Branche der Wechsel in die neue Welt durchaus gelingen kann – wenn sie endlich entschlossen auf CO2-Reduktion setzt: „BMW, Daimler und VW können ihre für das Jahr 2021 von der EU vorgegebenen Zielwerte für den Ausstoß von CO2 erreichen.“ Voraussetzung sei unter anderem eine „Steigerung der Zulassungen von E-Fahrzeugen auf Marktanteile von acht bis 15 Prozent“.

Daimler-Chef Ola Källenius ist sich nicht sicher, ob sein Unternehmen die EU-Vorgaben für 2021 erfüllen kann. Letztlich komme es schlicht darauf an, was die Kunden kauften, sagt er. Die richtigen Modelle kämen jetzt auf die Straße – zunächst mit Hybrid-Antrieben, später auch vollelektrisch. Für die fernere Zukunft sieht Källenius weitere Alternativen. Brennstoffzellen für Wasserstoff will der Konzern zunächst in Bussen und Lastwagen einsetzen, das Potenzial synthetischer Kraftstoffe beobachte man ernsthaft.

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