Rechter Terror in Halle Das Geständnis des Stephan B.

Berlin/Halle · In seinen Vernehmungen erweist sich Stephan B. als redselig – und bestätigt den Verdacht eines rechtsextremistischen Motivs für den Terroranschlag in Halle. Dort gedachten hunderte Menschen der Opfer.

  Nach dem Terrorakt in Halle hat Stephan B. die Tat gestanden. Hier wird er von Polizisten nach der Festnahme aus einem Hubschrauber geführt.

Nach dem Terrorakt in Halle hat Stephan B. die Tat gestanden. Hier wird er von Polizisten nach der Festnahme aus einem Hubschrauber geführt.

Foto: dpa/Uli Deck

(dpa) Die Waffen des Attentäters von Halle versagten immer wieder. Auf seinem Video, das Stephan B. live ins Internet streamte, hörte man ihn immer wieder laut fluchen. „Was’n falsch? Meine Fresse, Mann, lad’! Ach, Scheiße.“ Hätten sich vor allem die beiden selbst gebauten Maschinenpistolen nicht immer wieder verhakt, wären bei der Bluttat von Halle mit hoher Wahrscheinlichkeit noch viel mehr Opfer zu beklagen gewesen.

In seinem Manifest, das der Täter auf der Website Kohlchan hochgeladen hatte, beschrieb er detailliert sein Waffenarsenal. Darunter befanden sich zwei Maschinenpistolen nach Entwürfen des britischen Waffenaktivisten Philip Luty, der damit für den freien Besitz von Feuerwaffen demonstrieren wollte. Während die „Luty SMG 9mm Parabellum“ des Attentäters aus Halle komplett aus Metallteilen bestand, war die zweite Luty-Maschinenpistole auch mit Plastikteilen aus dem 3D-Drucker gebaut worden. Einen Drucker haben die Fahnder in den Wohnräumen von Stephan B. entdeckt. Der Täter setzte aber nicht nur auf Hightech, sondern auch auf ganz einfache Technik: Zu seiner Ausstattung gehörte eine sogenannte Slam-Bang-Shotgun, die im Kern nur aus zwei Rohren und einem simplen Auslöser besteht.

Stephan B. hat inzwischen ein umfangreiches Geständnis abgelegt. Dabei bekannte er sich zu einem rechtsextremistischen, antisemitischen Motiv. Das bestätigte ein Sprecher der Bundesanwaltschaft am Freitag. Der 27-Jährige sagte demnach am Donnerstagabend beim Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs in einer mehrstündigen Vernehmung aus. „Es wäre unsinnig, da etwas abzustreiten, und das hat er auch nicht getan“, sagte der Verteidiger des Attentäters, der Karlsruher Anwalt Hans-Dieter Weber, dem Südwestrundfunk (SWR). Sein Mandant Stephan B. sei intelligent, wortgewandt, aber sozial isoliert. Auslöser für die Tat sei gewesen, dass er andere Menschen für eigene Probleme verantwortlich mache.

B. sitzt inzwischen in Untersuchungshaft. Der Haftbefehl legt ihm zweifachen Mord und siebenfachen Mordversuch zur Last. Nach Einschätzung der Ermittler wollte er bei dem Anschlag am Mittwoch ein Massaker anrichten und Nachahmer zu ähnlichen Taten anstiften. Er sollte am Freitag aus Karlsruhe zurück nach Halle ins Gefängnis gebracht werden.

B. hatte zunächst versucht, sich mit Waffengewalt Zutritt zu einer Synagoge in Halle zu verschaffen. Als ihm dies nicht gelang, erschoss er eine Passantin und einen Mann in einem Döner-Imbiss. Dazu sagte der Anwalt laut SWR, aus Sicht seines Mandanten sei die Tat „schiefgegangen“. Zielrichtung sei eine andere gewesen; die Opfer, die es gegeben habe, seien nicht vorgesehen gewesen. „In seinem Weltbild ist es halt so, dass er andere verantwortlich macht für seine eigene Misere, und das ist letztendlich der Auslöser, für dieses Handeln“, sagte Weber. B. sehe Kräfte am Werk, die im Verborgenen wirkten, aber sehr einflussreich seien und auf die Politik einwirken könnten.

In Halle gedachten am Freitag hunderte Menschen der Opfer des Terroranschlags. Der Abschluss von Veranstaltungen zum Oberbürgermeister-Wahlkampf wurde abgesagt. Zwischenzeitlich protestierten zahlreiche Menschen bei einer Demonstration gegen rechts gegen einen stadtbekannten Rechtsextremen, der nur wenige Meter entfernt per Lautsprecher Parolen vom Dach seines Autos rief.

Vor den Tatorten an der Synagoge und am Döner-Imbiss wurden weiter Blumen niedergelegt und Kerzen entzündet. Für den Abend war eine Lichterkette an der Synagoge geplant, bevor in dem Gotteshaus die Sabbat-Feier stattfinden sollte.

In der Debatte um Konsequenzen aus der Bluttat forderte die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer schärfere Sicherheitsgesetze für Deutschland. Die Sicherheitsbehörden und Nachrichtendienste bräuchten unter anderem längere DNA-Speicherfristen. „Hier wird unser Land und seine Grundordnung von innen angegriffen“, sagte Kramp-Karrenbauer dem Berliner „Tagesspiegel“.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) will die bereits geplante Reform für eine bessere Bekämpfung des Rechtsextremismus beschleunigen. Familienministerin Franziska Giffey (SPD) kündigte an, dass sie die Mittel für die Arbeit gegen Antisemitismus aufstocken möchte.

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