Aserbaidschan-Connection „Für Geld und Kaviar“

Berlin · Langsam kommt Licht ins Dunkle der Verwicklungen deutscher Politiker in die Interessen Aserbaidschans. Der Blick fällt dabei auf eine breite Palette der Aktivitäten - und vom früheren Drogenbeauftragten Eduard Lintner bis zum ehemaligen Kunstturner Eberhard Gienger.

Aserbaidschans Präsident Ilham Alijew im Juli mit Russlands Präsident Wladimir Putin in Moskau.

Aserbaidschans Präsident Ilham Alijew im Juli mit Russlands Präsident Wladimir Putin in Moskau.

Foto: dpa/Mikhail Klimentyev

Eine Begegnung mitten im Berliner Regierungsviertel. Schon von weitem erkennen sich die Gesprächspartner aus Bonner Zeiten. Der damalige Drogenbeauftragte und der Journalist. Seit etlichen Jahren hat man sich nicht mehr gesehen. Eduard Lintner, der in drei Jahrzehnten Abgeordnetentätigkeit als durch und durch seriös eingeordnete CSU-Politiker, ist 2009 aus dem Bundestag ausgeschieden. Nun hat es der ehemalige Innen-Staatssekretär auf dem politischen Parkett viele Jahre später gleichwohl immer noch eilig. Er habe jetzt wieder ein Büro, gleich hier um die Ecke, man könne ja mal wieder einen Kaffee zusammen trinken. Und weg ist er. Der Vorzeige-Parlamentarier ist nun Lobbyist. Alte Netzwerke pflegen, neue Kontakte knüpfen, viel zu tun. Man kennt das. Was Lintner so alles wie und womit gepflegt hat -- dafür interessiert sich mittlerweile auch die Staatsanwaltschaft. Verdacht: Käuflichkeit von Politikern mit Millionen aus aserbaidschanischen Quellen.

Es gibt eine dreifache Wahrnehmung von dem zehn Millionen Einwohner zählenden Land in Vorderasien. Da ist die menschenrechtlich und demokratisch extrem problematische Situation, die das Regime von Ilham Alijew nach Kräften zu retuschieren versucht. Da ist der Rohstoffreichtum des wichtigen deutschen Handelspartners, der eine besondere Kontaktpflege in Politik und Wirtschaft nur zu verständlich macht. Und da ist das Wirken vor allem von Unionsabgeordneten, die Verbindungen zwischen diesen beiden Aspekten bearbeiten.

Von welchem Moment an das den Akteuren und Nebenakteuren selbst befremdlich vorkommt, ist derzeit noch nicht nachvollziehbar. Gemeinsam ist einstweilen allen Beteiligten, alles als normal und nichts als verdächtig darzustellen. Eberhard Gienger etwa, seit Monaten nicht mehr öffentlich wahrnehmbarer CDU-Politiker, wusste noch im März klar zu erläutern, warum er 2015 zu den Europaspielen in die aserbaidschanische Hauptstadt Baku reiste - und 2018 als Mitglied einer Wirtschaftsdelegation wieder. Als sportpolitischer Sprecher der Unionsfraktion konnte der Ex-Reckweltmeister auf Gespräche sowohl mit dem Staatspräsidenten als auch Sportverantwortlichen verweisen - und darauf, auch unbequeme Fragen zur Korruption und Doping angeschnitten zu haben.

Auch in seiner nun zu Ende gehenden Bundestagszeit kümmerte sich Gienger fast ausschließlich um Sportthemen. Deshalb fällt bei ihm auch besonders auf, dass er im September 2019 plötzlich in einer schriftlichen Frage von der Bundesregierung wissen will, wie sie die jüngsten Aussagen des armenischen Präsidenten zur Region Bergkarabach einordnet und ob sie die Einordnung des UN-Sicherheitsrat zur Okkupation der Region durch Armenien als völkerrechtswidrig teilt. Peinlich für Gienger und drei weitere, ebenfalls selten mit Außenpolitik befasste CDU-Politiker: Sie reichten nicht nur inhaltlich, sondern sogar nahezu wortgleiche Fragen ein.

Neben dem Sportpolitiker Gienger aus dem Wahlkreis Neckar waren es der Finanzpolitiker Olav Gutting aus dem Wahlkreis Bruchsal, der Haushaltspolitiker Axel E. Fischer aus Karlsruhe und der Verteidigungspolitiker Nikolas Löbel aus Mannheim. Typischer Fall von „erwischt“. Wem sie wohl eine Gefälligkeit taten? Der SWR stieß jetzt bei Recherchen über die Aserbaidschan-Connection auf eine einschlägige Mail eines aserbaidschanischen Botschaftsmitarbeiters an mehrere Abgeordnete im Vorfeld der Anfrage.

Einige Namen bleiben dieser fragwürdigen Connection verhaftet. Löbel fiel bereits als Junge-Union-Chef auf, als er 2012 seinen Landesverband aus aserbaidschanischen Quellen sponsern lassen wollte - und dabei gestoppt wurde. Inzwischen verzichtete er auf sein Bundestagsmandat. Auch der Südthüringer CDU-Abgeordnete Mark Hauptmann ist inzwischen raus aus der Politik, nachdem er mit Masken-Deals und einer gut von Aserbaidschan bezahlten Anzeige aufgefallen war, die in einem von ihm herausgegebenen Kurier erschien. Und Fischer gehört zu jeden Abgeordneten, die umfangreiche Durchsuchungen über sich ergehen lassen mussten, als zunächst die Staatsanwaltschaft Frankfurt, dann die Generalstaatsanwaltschaft München Ermittlungen zur Aserbaidschan-Connextion startete.

Fischers Reaktion gleicht der von Lintner. „Völliger Unsinn“, so Lintner, sei der Verdacht, Schmiergelder verteilt zu haben. Die Geldzahlungen seien im wesentlichen für die Unterhaltung eines teuren Büros in Berlin verwendet worden. Er fühle sich als Opfer, das der „Presse zum Fraß vorgeworfen“ worden sei.

Fischer war offenbar bei Ermittlungen gegen die inzwischen verstorbene CDU-Abgeordnete Karin Strenz ins Visier der Ermittler geraten. Wegen verschwiegener Geldzahlungen aus Aserbaidschan über eine Lobbyfirma hatte der Bundestag gegen Strenz eine Strafzahlung verhängt. Im März kollabierte die unter massivem Druck stehende Politikerin auf dem Rückflug von Kuba und konnte nicht mehr gerettet werden.

Ein Anknüpfungspunkt für Lintner, Strenz und Fischer ist die Parlamentarische Versammlung des Europarates, in der Baku nahestehende Unionsabgeordnete einerseits für Alijew peinliche Verurteilungen verhinderten und andererseits Wahlen in Aserbaidschan mit Demokratie-Siegel versahen. Im Amtsdeutsch der Strafverfolger wird den Politikern „vorgeworfen, in der Zeit zwischen 2008 bis 2016 unter anderem Gelder aus Aserbaidschan über britische Briefkastengesellschaften mit baltischen Konten erhalten zu haben“. Mit klarer Erwartung: Bei Anträgen und Abstimmungen sowie Funktionsbesetzungen „Einfluss im Sinne von Delegierten des Staates Aserbaidschan zu nehmen“.

Seit den Durchsuchungen in März sind die Ermittler mit den Auswertungen befasst. Sie dauerten weiter an, erläuterte am Mittwoch Leitender Oberstaatsanwalt Klaus Ruhland. Eine zeitliche Perspektive für den Abschluss des Verfahrens sei nicht zu nennen. „Empört, aber wenig überrascht“ verfolgt Linken-Menschenrechtspolitiker Michel Brandt die Skandale um Korruption, Maskendeals und Aserbaidschans. Es sei „menschlich wie politisch außerordentlich aussgekräftig, dass beim Vollmachen der eigenen Taschen die Menschenrechtsverletzungen diktatorischer Regime offenbar bedeutungslos“ seien.

SPD-Menschenrechtspolitiker Frank Schwabe findet es „beschämend für den Deutschen Bundestag, wenn Abgeordnete offensichtlich im direkten Einsatz für andere Länder sind“. Wenn einige davon dafür bezahlt worden seien, handele es sich um einen „bleibenden Schandfleck“. Je mehr Details in der Aserbaidschan-Affäre ans Licht kämen, „desto fassungsloser“ sei sie, sagte Grünen-Menschenrechtspolitikerin Margarete Bause, angesichts des „gewissenlosen Gebarens mehrerer Unionspolitiker. Es sei ihr unverständlich, wie Abgeordnete „für Geld und Kaviar“ nicht nur undemokratische Wahlen legitimiert, sondern im Konflikt um Bergkarabach auch Völkerrechtsverstöße Aserbaidschans negiert hätten. Und: „Mindestens genauso verheerend ist, dass die Unionsspitze es bis heute nicht geschafft hat, sich klar und eindeutig von diesen korrumpierten Abgeordneten zu distanzieren“, meint die Grünen-Politikerin.

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