Deutlich mehr Beschwerden Immer mehr Menschen fühlen sich ausgegrenzt

Berlin · Im vergangenen Jahr haben sich deutlich mehr Bürger an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes gewandt. Besonders viele Beschwerden gingen zum Thema Rassismus ein.

 Eine Frau demonstriert gegen Rassimus. Auch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes muss sich immer mehr mit dem Thema befassen.

Eine Frau demonstriert gegen Rassimus. Auch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes muss sich immer mehr mit dem Thema befassen.

Foto: dpa/Ben Birchall

Einer Altenpflegerin wurde wegen ihrer Hautfarbe gekündigt. Ein Syrer bekam bei der Wohnungssuche zu hören, „Kanaken“ seien hier unerwünscht. Und in einer Schule musste ein Kind wegen seiner ethnischen Herkunft Beleidigungen eines Mitschülers ertragen, aber das Lehrpersonal ignorierte den Vorfall. Nur drei Fälle von insgesamt 3580 im vergangenen Jahr, die der Antidiskriminierungsstelle des Bundes von Betroffenen berichtet wurden. Die Zahl der Beratungsanfragen ist damit gegenüber 2018 um 3,6 Prozent gestiegen. Besonders drastisch fiel der Zuwachs bei rassistisch motivierten Vorfällen aus (plus zehn Prozent). Mittlerweile bezieht sich ein Drittel aller Anfragen allein auf diesen Bereich. Deutschland müsse mehr für die Gleichbehandlung tun, forderte der kommissarische Leiter der Bundesbehörde, Bernhard Franke, bei der Vorstellung des aktuellen Jahresberichts am Dienstag in Berlin.

Dabei bekomme man es längst nicht mit den extremsten Fällen zu tun, sagte Franke unter Verweis auf Gewalttaten wie etwa gegen die Synagoge in Halle im Oktober des vergangenen Jahres. Ohnehin suchten nur die wenigsten Betroffenen den Rat von Experten, weil sie sich davon kaum etwas erhofften. Man erfasse aber „ein Grundrauschen der Ausgrenzung“, erklärte Franke. „Das Gefühl, mit einer Ungerechtigkeit alleine gelassen zu werden, hat auf Dauer fatale Folgen, die auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährden“, warnte der Behördenchef.

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes wurde vor 14 Jahren im Zuge des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) eingerichtet. Demnach darf kein Mensch wegen seiner ethnischen Herkunft, Religion oder Weltanschauung, wegen einer Behinderung, seines Alters, Geschlechts oder sexuellen Orientierung benachteiligt werden. Bei Verstößen besteht ein Schadensersatzanspruch. Betroffene können bei der Antidiskriminierungsstelle erfahren, ob die Bestimmungen des AGG tatsächlich auf sie zutreffen. Die Stelle holt juristische Gutachten ein und wendet sich auch direkt an Unternehmen, wenn Betroffene dort entsprechende Probleme haben. In acht von 16 Bundesländern gibt es auch eigene Antidiskriminierungsstellen.

Nach Überzeugung Frankes reichen diese Vorkehrungen aber nicht aus. Sowohl die Hilfsangebote als auch die Rechtsstellung der Betroffenen müssten deutlich verbessert werden. Nötig seien längere Fristen zur Geltendmachung von Ansprüchen, erweiterte Befugnisse der Antidiskriminierungsstelle wie etwa ein eigenes Klagerecht sowie ein Verbandsklagerecht. In diesem Zusammenhang lobt Franke auch das umstrittene Antidiskriminierungsgesetz des Landes Berlin, das dort erst vor wenigen Tagen vom rot-rot-grün dominierten Lokalparlament verabschiedet wurde. Anders als beim AGG soll es Menschen auch vor einer Diskriminierung durch staatliches Handeln wie etwa der Polizei schützen. Kritiker befürchten allerdings eine Klagewelle gegen hauptstädtische Behörden, die dann laut Gesetz nachweisen müssten, dass sie nicht diskriminiert haben.

 Diskriminierung in Deutschland

Diskriminierung in Deutschland

Foto: SZ/Müller, Astrid

Neben ethnisch motivierten Benachteiligungen (33 Prozent) bekam es die Antidiskriminierungsstelle des Bundes laut Bericht häufig auch mit gefühlten oder tatsächlichen Verstößen wegen des Geschlechts (29 Prozent), einer Behinderung (29 Prozent) sowie des Lebensalters (zwölf Prozent) zu tun. Die meisten Beschwerden bezogen sich auf das Arbeitsleben (36 Prozent) sowie Alltäglichkeiten wie Wohnungssuche, Einkauf oder Gaststättenbesuche (26 Prozent).

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