Interview Andrew Ullmann „Ein einziger Corona-Test ist letztlich sogar gefährlich“

Berlin · Der FDP-Gesundheitsexperte hält die geplanten Checks für Einreisende an Flughäfen für unzureichend. Er hätte sich Präventions-Regeln für die EU gewünscht.

 Für Andrew Ullmann (FDP) sind Corona-Schnelltests an Flughäfen keine sichere Lösung.

Für Andrew Ullmann (FDP) sind Corona-Schnelltests an Flughäfen keine sichere Lösung.

Foto: Fabian Sommer/dpa/Fabian Sommer

Wie lässt sich verhindern, dass Urlauber das Coronavirus aus dem Ausland einschleppen? Dazu werden an diesem Freitag Beschlüsse der Gesundheitsminister von Bund und Ländern erwartet. Im Gespräch sind Schnelltests an Flughäfen für Einreisende aus Risikogebieten. Dem FDP-Gesundheitspolitiker und Medizinprofessor Andrew Ullmann ist das zu wenig. Unsere Redaktion sprach mit dem bayerischen Bundestagsabgeordneten.

Herr Ullmann, machen verpflichtende Tests an Flughäfen Sinn?

ULLMANN Es macht immer Sinn zu wissen, ob jemand infiziert ist. Ein Test reicht aber nicht aus, denn die Inkubationszeit bei Covid-19 kann bis zu zehn Tage betragen. Das heißt, ist das Testergebnis am zweiten Tag negativ, so kann es am Tag acht bereits positiv sein. Ein einziger Test ist letztlich sogar gefährlich, weil man sich dann in falscher Sicherheit wiegt und dadurch erst recht Infektionsketten entstehen können.

Denken Sie, dass mehrfache Tests die hier eigentlich vorgeschriebene 14-tägige Quarantänezeit ersetzen könnten?

ULLMANN Das wäre möglich, aber dann müsste man eine Person nahezu täglich testen. In der Praxis ist das jedoch kaum machbar. Die Frage ist, welche Sicherheit man haben will. Je mehr Tests, desto größer die Sicherheit und umso stärker könnte man auf häusliche Quarantäne verzichten. Das gilt freilich auch im umgekehrten Fall.

Sollte es nur Tests für Reisende aus Risikogebieten geben? Spanien zum Beispiel zählt nicht dazu, obgleich die Infektionsgefahr auch dort vergleichsweise hoch ist.

ULLMANN Ein Risikogebiet darf nicht dadurch definiert sein, ob es sich außerhalb der EU befindet. Entscheidend sollte vielmehr die Zahl der Infektionen pro 100 000 Einwohner sein. Wenn die bei 40, 50 oder 60 liegt, dann gehören von dort kommende Reisende automatisch getestet. Werden die einfachen AHA-Regeln – Abstand, Hygiene, Alltagsmasken – im jeweiligen Land eingehalten und gibt es dort nur punktuelle Infektionen, dann ist das Risiko als gering zu betrachten.

Wer soll die Tests bezahlen?

ULLMANN Wenn Urlauber in Länder fahren, von denen vorher bekannt ist, dass es sich um Risikogebiete handelt, dann liegt das Risiko bei den Urlaubern. Folglich müssten sie die Tests auch bezahlen. Das sollte nicht an den Krankenkassen, sprich, Beitragszahlern hängenbleiben, zumal es bei Fluggästen zwecks Urlaubs in aller Regel nicht um Sozialfälle geht.

Was ist mit den Touristen, die auf dem Land- oder Seeweg einreisen?

ULLMANN Im Grunde genommen müssten hier die gleichen Regeln wie an Flughäfen gelten. Das halte ich aber logistisch für nicht machbar. Auch hier muss sich die Bundesregierung die Frage stellen, welche Sicherheit sie bei den Testmethoden haben will. Eine hundertprozentige wird es sicher nicht geben. Leider. Hier muss man auch an die Verantwortung der Bürger appellieren, sich strikt an die AHA-Regeln zu halten.

Kommt die ganze Debatte nicht zu spät? Die Urlaubswelle ist ja längst in vollem Gange.

ULLMANN Ich hätte mir hier in der Tat gemeinsame Präventions-Regeln gewünscht, die nicht nur für Deutschland gelten, sondern für die gesamte EU. Da hätte der Bundesgesundheitsminister früher reagieren müssen.

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