Analyse zu organisierter Kriminalität in Deutschland Saarland Schwerpunkt von Clan-Kriminalität

Berlin · Gegen Verbrecherbanden aus Großfamilien greift der Staat inzwischen härter durch. Das zeigt das Lagebild zur Organisierten Kriminalität des BKA.

 Polizisten bei einer Razzia gegen Clan-Kriminalität im April in einem Essener Lokal. In Nordrhein-Westfalen treiben neben dem Saarland, Bayern und Berlin besonders viele Familienbanden ihr Unwesen.

Polizisten bei einer Razzia gegen Clan-Kriminalität im April in einem Essener Lokal. In Nordrhein-Westfalen treiben neben dem Saarland, Bayern und Berlin besonders viele Familienbanden ihr Unwesen.

Foto: dpa/Ina Fassbender

Die Bundesländer, in denen die „ethnisch abgeschotteten Subkulturen“, auch Clans genannt, ihr Unwesen treiben, sind in erster Linie Nordrhein-Westfalen, Bayern, Berlin und das Saarland. Insgesamt waren es 45 Gruppierungen, die erstmals aufgrund von Verfahren im „Bundeslagebild Organisierte Kriminalität“ erfasst wurden. Die Analyse wurde am Dienstag von Innenminister Horst Seehofer (CSU) und dem Chef des Bundeskriminalamtes (BKA), Holger Münch, in Berlin vorgestellt. Dazu Fragen und Antworten.

Was unterscheidet Clans von anderen Gruppierungen?

Laut Lagebild fußen diese Gruppen meist auf verwandtschaftlichen Beziehungen – es sind meist Großfamilien. Charakteristisch sind daher auch die gemeinsame Herkunft und ein hohes Maß an Abschottung. „Das geht einher mit einer eigenen Werteordnung und der grundsätzlichen Ablehnung der deutschen Rechtsordnung“, heißt es in der Analyse. Oftmals gebe es kein Integrations-, dafür aber eine hohe Eskalationsbereitschaft „auch bei nichtigen Anlässen“.

Welche Erkenntnisse liegen zu den Clans vor?

Knapp die Hälfte aller im Jahr 2018 erfassten Verfahren wurden in NRW durchgeführt, nämlich 22. Es folgen Bayern mit sieben, Berlin mit fünf, das Saarland mit vier sowie Baden-Württemberg und Niedersachsen mit jeweils drei und Bremen mit einem Verfahren. 24 Gruppierungen waren arabischer Herkunft, acht aus dem West-Balkan, drei türkischstämmig, eine aus den Maghreb-Staaten und neun waren anderer Herkunft. Insgesamt wurden 654 Tatverdächtige erfasst, darunter 152 Libanesen, aber auch 148 Deutsche.

Wodurch kommen Clans an ihr Geld?

In mehr als die Hälfte der Verfahren waren die Großfamilien im Rauschgiftschmuggel aktiv, in zwölf Fällen ging es um Eigentumsdelikte. Die übrigen Verfahren verteilten sich auf Geldwäsche, Wirtschaftskriminalität und auf Delikte im Zusammenhang mit dem Nachtleben. Arabische und türkischstämmige Clans sorgen demnach auch häufiger für „Tumultlagen“, wie es in der Analyse heißt. Dabei handelt es sich um Fälle eskalierender Gewalt- oder Alltagskriminalität. BKA-Chef Münch betonte, der Staat dulde keine rechtsfreien Räume. Inzwischen werde härter durchgegriffen. Zum Beispiel durch Vermögensabschöpfung.

Wie hat sich die Organisierte Kriminalität insgesamt entwickelt?

Die Zahl der Ermittlungsverfahren gegen Gruppierungen der Organisierten Kriminalität ist im letzten Jahr leicht gesunken – von 572 auf 535 Verfahren. Das ist aber kein Grund zur Entwarnung. Münch erklärte, die Ermittlungen seien komplexer und aufwendiger geworden, auch weil viele Täter auf verschlüsselte Kommunikation setzten. Von den 6483 Tatverdächtigen waren 31,2 Prozent Deutsche, wobei rund zwölf Prozent von ihnen bei ihrer Geburt eine andere Staatsangehörigkeit hatten. Unter den Ausländern dominierten die Türken mit 714 und die polnischen Staatsbürger mit 404 Verdächtigen. Eine „überdurchschnittlich hohe Eskalations- und Gewaltbereitschaft“ beobachtete das BKA überdies bei Verbrecherbanden, die von Tschetschenen dominiert werden.

Welche Gruppen sind noch in Deutschland aktiv?

Im Lagebild wird auch auf die italienische Mafia verwiesen, die vor allem im Kokain-Handel aktiv ist. 13 Verfahren wurden gegen Camorra oder Cosa Nostra geführt. Es ging um 197 Tatverdächtige. Erwähnt werden zudem Rockergruppen, von denen es 700 mit rund 10 000 Mitgliedern gibt. Werden sie kriminell, geht es oft um Rauschgift, Gewalttaten und Delikte im Nachtleben.

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