Umstrittene Finanzierungspläne Ampel will viele Milliarden für die Zukunft bunkern

Berlin · Wenige Tage nach der Vorlage des Koalitionsvertrags ringen die drei Ampel-Parteien bereits wieder um die Finanzierung ihrer Mammut-Vorhaben. Der designierte Bundesfinanzminister, FDP-Chef Christian Lindner, verweist schon jetzt auf die verfassungsrechtlichen Grenzen der Neuverschuldung.

 FDP-Chef Christian Lindner bei der Präsentation des Koalitionsvertrags am vergangenen Mittwoch.

FDP-Chef Christian Lindner bei der Präsentation des Koalitionsvertrags am vergangenen Mittwoch.

Foto: AFP/TOBIAS SCHWARZ

Im Koalitionsvertrag sind Wege zur Finanzierung beschrieben, allerdings hat die Ampel geplante Vorhaben nicht mit Summen unterlegt. Während SPD und Grüne für eine erhebliche Ausweitung der Neuverschuldung plädieren, steht Lindner schon jetzt auf der Bremse: Der FDP-Chef will sich strikt an die verfassungsrechtlichen Vorgaben halten, wenn es darum geht, die Regeln der Schuldenbremse auszulegen. Ab 2023, so steht es im Koalitionsvertrag, soll die Schuldenbremse wieder eingehalten werden.

Bis dahin hat die Ampel-Koalition allerdings noch Zeit, eine ansehnliche Reserve für Zukunftsinvestitionen aufzubauen. Geplant ist, bisher nicht genutzte Kreditermächtigungen des Bundestags im laufenden Jahr nicht verfallen zu lassen, sondern in den Energie- und Klimafonds (EKF) einzubuchen. Von den geplanten 240 Milliarden Euro dürften etwa 60 Milliarden Euro ungenutzt bleiben und in den Reservetopf EKF eingebucht werden. Dazu ist ein Nachtragshaushalt erforderlich, der noch vor Weihnachten auf den Weg gebracht und dann Anfang Januar verabschiedet werden soll.

Zudem will die Ampel laut Vertrag prüfen, ob sie den EKF 2022 durch eine weitere Kreditaufnahme weiter „verstärken“ kann, um in Zukunft mehr Geld für Investitionen in Klimaschutz und Digitalisierung zur Verfügung zu haben. Hier könnten sich allerdings verfassungsrechtliche Probleme auftun: Laut eines Urteils des hessischen Staatsgerichtshofs ist es nicht mit dem dem Grundgesetz vereinbar, wenn die Kreditaufnahme nichts mit dem Ausnahmegrund für die Aussetzung der Schuldenbremse zu tun hat. Die Bundesregierung hatte die Aussetzung der Schuldenbremse 2020, 2021 und 2022 mit der Corona-Pandemie begründet. Zukunftsinvestitionen in Klimaschutz haben damit direkt nichts zu tun. Allerdings sieht die Ampel dennoch einen Zusammenhang: Wegen der Pandemie hätten sich eigentlich längst geplante Zukunftsinvestitionen verzögert, deshalb könnten sie mit Krediten finanziert werden.

SPD-Chef Norbert Walter-Borjans sieht zudem in der Interpretation des Investitionsbegriffs einen grundsätzlichen Weg, trotz der Schuldenbremse künftig zusätzliche Kredite für Zukunftsinvestitionen aufzunehmen. „Wenn Investitionen Zukunftspotenzial heben, erlaubt die Schuldenbremse auch Kredite“, sagte der scheidende SPD-Vorsitzende unserer Redaktion. „Etwa, wenn damit die Erwerbsbeteiligung von Frauen gestärkt und das Produktionspotenzial unserer Volkswirtschaft stärker ausgelastet wird.“ Ein verfassungsrechtliches Problem liege allein darin, dass die Bundesländer anders als der Bund keinen Kreditfinanzierungsspielraum hätten. „Das treibt sie in die Abhängigkeit vom Bund, wenn die Schuldenbremse nicht reformiert wird. Dazu müssten sich CDU und CSU aber gesprächsbereit zeigen.“

Die Ampel will zudem Investitionsgesellschaften wie die Förderbank KfW, die Bahn AG oder die Immobiliengesellschaft des Bundes (Bima) ertüchtigen, selbst mehr Kredite für Investitionen aufzunehmen. Dazu denkt sie unter anderem über neue Eigenkapitalspritzen für die Gesellschaften nach. Im Rahmen der Schuldenbremse kalkuliert die Ampel zudem damit, dass sie bis zu zehn Milliarden Euro im Jahr an neuen Krediten aufnehmen kann. Die Regel lässt im Normalfall eine Neuverschuldung des Bundes von 0,35 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung zu.

Streit zwischen SPD, Grünen und FDP könnte es auch über den Umfang der jährlichen zusätzlichen Zukunftsinvestitionen geben. Denn im Koalitionsvertrag ist die Summe von 50 Milliarden Euro im Jahr, die vor allem die Grünen gefordert hatten, nicht verankert. Die drei Parteien zählen lediglich eine Fülle von Einzelprojekten auf. An die wolle sich der designierte Finanzminister Lindner halten, nicht an die Summe von 50 Milliarden, wie aus der FDP zu hören war. Steuererhöhungen schließt die Ampel aus. Allerdings will sie Cannabis nach der geplanten Freigabe künftig ebenso wie Tabak oder Alkohol besteuern. Daraus werden zwei Milliarden Euro jährlich erwartet.

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