„Alle haben sich sicher gefühlt“

Berlin · Bei seinem jüngsten Besuch in Mali bekam Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel die angespannte Sicherheitslage in der Region hautnah zu spüren. Über die Konsequenzen für die deutsche Entwicklungspolitik und seine eigenen politischen Ambitionen sprach unser Berliner Korrespondent Stefan Vetter mit dem FDP-Politiker:

Herr Niebel, ist Nordafrika eine neue Brutstätte des internationalen Terrorismus?
Dirk Niebel: Zweifellos gibt es einen fragilen Gürtel, der sich von Mauretanien im Westen bis nach Somalia im Osten zieht und immer mehr nach Süden ausweitet. Islamistische Terroristen können sich dort besser einnisten, weil die staatlichen Strukturen schwächer sind als anderswo in Afrika.

Offenkundig gibt es unterschiedliche Einschätzungen über die dortige Sicherheitslage. Warum haben Sie sich über die Bedenken des Bundeskriminalamtes hinweggesetzt und sind ohne Personenschützer in den Norden Malis gereist?
Dirk Niebel: Es gab unterschiedliche Lagebeurteilungen. Die Bundeswehr hat die Region Mopti problemlos angeflogen, auch die Deutsche Botschaft war dabei. Und auch die Personenschützer wären bei mir geblieben, wenn nicht die Verwaltung des Bundeskriminalamtes eine andere Entscheidung getroffen hätte. Aber am Ende sind all diese Einrichtungen zur Unterstützung der politischen Entscheider da. Unsere politische Agenda soll unterstützt werden, damit wir sie erfüllen können. Insofern bleibt es meine Entscheidung, was ich als durchführbar erachte und was nicht.

Aber Ihnen wird vorgeworfen, leichtfertig und unverantwortlich gehandelt zu haben.
Dirk Niebel: Unsinn. Auch alle anderen Delegationsmitglieder, einschließlich der Journalisten, waren frei in ihrer Entscheidung, den Termin wahrzunehmen oder nicht. Am Ende haben sich alle sicher gefühlt. Denn es gab einen ausreichenden Schutz durch die örtlichen Sicherheitskräfte. Es war notwendig, ein politisches Zeichen zu setzen, dass wir an der Seite der demokratischen Kräfte in Mali stehen.

Was nützt die beste Symbolik, wenn die Lage instabil ist?
Dirk Niebel: Es stimmt, überall dort, wo gekämpft wird, kann Entwicklungspolitik nicht wirken. Aber dort, wo nicht gekämpft wird, kann Entwicklungspolitik dazu beitragen, Kämpfe zu verhindern. Sie ist das schärfste Schwert gegen die Extremisten. Entwicklungspolitik schafft Lebensperspektiven für Menschen. Wenn die Menschen eine Perspektive haben, sind sie weniger anfällig für extreme Positionen, egal, ob politische oder religiöse.

Mali leidet unter Terroristen, die aus Algerien und Libyen kamen. Sind Sie vom "arabischen Frühling" enttäuscht?
Dirk Niebel: Der arabische Frühling ist eine tolle Chance. Die Schattenseite ist aber, dass Revolutions-Verlierer und Extremisten, die vorher von den Diktaturen gedeckelt wurden, Morgenluft wittern. Dagegen kann internationale Solidarität viel bewirken.

Würden sie heute noch einmal fordern, das Entwicklungsministerium abzuschaffen, wie im letzten Bundestagswahlkampf?
Dirk Niebel: Nein. Damals bestand eine große Unzufriedenheit mit der Politik meiner Amtsvorgängerin. Aber wir sind inzwischen nicht mehr das Welt-Sozialamt und auch nicht der Dritte-Welt-Laden der Bundesregierung. Wir sind jetzt ein globales Strukturministerium, das die Partnerländer unterstützt, aber auch Deutschland nützt.

Das klingt, als wollten Sie nach einer gewonnenen Bundestagswahl Entwicklungsminister bleiben.
Dirk Niebel: Die Wahl muss erst einmal gewonnen werden. Erst danach kann es um die Ressortverteilung und ihre Besetzung gehen. Aber wenn es die Möglichkeit gäbe, meine Aufgabe fortzusetzen, dann würde ich sie gerne unumkehrbar abschließen. Und dafür würde ich eine Wahlperiode garantiert noch brauchen.

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