Bald ein Jahr nach dem Fall von Kabul Taliban blockieren Ausreise von Ortskräften

Vor bald einem Jahr fiel der Flughafen Kabul. Seither herrscht Chaos in Afghanistan. Und Deutschland schafft es nicht, seine afghanischen Ortskräfte, bei denen es im Wort steht, aus dem Land zu holen

 FILE - Afghan women pass next of Taliban fighter in Kabul, Afghanistan, Feb. 13, 2022. The lives of Afghan women and girls are being destroyed by the Taliban’s crackdown on their human rights, said Amnesty International in a new report Wednesday, July 27, 2022. The London-based watchdog criticized Taliban authorities saying that since Taliban took control of the country in August 2021, they have violated women’s and girls’ rights to education, work and free movement. (AP Photo/Hussein Malla, File)

FILE - Afghan women pass next of Taliban fighter in Kabul, Afghanistan, Feb. 13, 2022. The lives of Afghan women and girls are being destroyed by the Taliban’s crackdown on their human rights, said Amnesty International in a new report Wednesday, July 27, 2022. The London-based watchdog criticized Taliban authorities saying that since Taliban took control of the country in August 2021, they have violated women’s and girls’ rights to education, work and free movement. (AP Photo/Hussein Malla, File)

Foto: AP/Hussein Malla

Am 15. August 2021 stehen die Taliban in Kabul. Die Religionskrieger haben sich in atemberaubendem Tempo in die afghanische Hauptstadt vorgearbeitet, sie stürmen den Präsidentenpalast und den internationalen Flughafen. Die deutsche Botschaft muss in Windeseile evakuiert werden. Hubschrauber der US-Truppen fliegen deutsche Diplomaten aus der sogenannten „Grünen Zone“, einem vermeintlich sicheren Viertel, an den Airport. Auch Tausende Zivilisten, darunter viele Ortskräfte, die für die

Nato-Truppen, westliche Organisationen und Staaten gearbeitet haben, wollen raus. Nur elf Tage nachdem die Taliban Kabul überrannt haben, verlässt am 26. August, 18.20 Uhr, verlässt die letzte A400M der Bundeswehr afghanischen Luftraum. Ende der Mission am Hindukusch nach fast 20 Jahren.

Zwei Wochen später bricht der damalige Außenminister Heiko Maas zu einer eilig organisierten Reise in die afghanische Nachbarschaft auf. Maas stoppt erst in der Türkei. Dann geht es weiter nach Usbekistan, nach Tadschikistan, nach Pakistan und nach Katar. Der SPD-Politiker setzt sich für eine kurzfristige Grenzöffnung dieser Staaten ein, damit verbliebene deutsche Staatsbürger wie afghanische Ortskräfte (und ihre Familien), die etwa für Bundeswehr und Botschaft gearbeitet haben oder als Frauenrechtlerinnen unter Taliban-Regime an Leib und Leben bedroht sind, schnell nach Usbekistan, Tadschikistan oder Pakistan ausreisen können – und von dort nach Deutschland geholt werden. 

Die kontrollierte und gesteuerte Evakuierung läuft an. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes konnten bislang zwei Drittel der Menschen, die eine Aufnahmezusage für Deutschland haben, aus Afghanistan ausreisen. Insgesamt waren dies nach Zahlen des Außenamtes rund 21 000 Afghaninnen und Afghanen, die entweder Ortskräfte waren oder sich für Demokratie und Menschenrechte in Afghanistan engagiert haben. Doch knapp ein Jahr nach der Machtübernahme der Taliban in Kabul warten immer noch rund 10 000 Afghanen, bei denen Deutschland im Wort steht, auf ihre Ausreise aus dem Land.  Die „Welt am Sonntag“ berichtete nun unter Berufung auf Zahlen des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf), tatsächlich seien bisher erst rund 17 500 Afghanen eingereist.

Außenministerin Annalena Baerbock wollte gerade mit Blick auf das Steinzeit-Regime der Taliban Tempo machen und in diesem Sommer weiteren Tausenden Afghaninnen und Afghanen die Ausreise, die oft einer Flucht ähnelt, ermöglichen. Doch Baerbocks Plan stockt. Ein Grund: Die Taliban hielten sich nicht an Absprachen, behindern mit immer neuen Einwänden und Schikanen die Ausreise. So erlaubten die Taliban nur solchen Frauen die Ausreise, wenn sie in Begleitung eines männlichen Verwandten seien. Zudem sei ein Reisepass Bedingung, doch die Taliban stellten auch aus diesem Grund kaum mehr Reisepässe aus. 

Baerbock hatte Ende Juni öffentlich betont, sie wolle den Notfallplan für gefährdete Afghanen deutlich beschleunigen. Vor allem über das Nachbarland Pakistan sollte sie ihr Weg – von dort mit Chartermaschinen – nach Deutschland führen. Doch dazu müssten sie erst einmal nach Pakistan kommen. Die Taliban würden Busse mit Ausreisewilligen nicht mehr über die Grenze nach Pakistan lassen. Für mehr Tempo hatte Baerbock in der Bundesregierung unter anderem erreicht, dass afghanische Ortskräfte oder Menschen- und Frauenrechtsaktivisten zunächst auch ohne gültiges Visum einreisen dürften. Fällige Formalien würden dann nach der Ankunft in Deutschland erledigt. Inzwischen soll das Bundesinnenministerium wieder Sicherheitsbedenken geäußert haben.

Zuletzt ist es im Juli dieses Jahres gelungen, gut 1000 Afghaninnen und Afghanen nach Deutschland zu bringen, wie der „Spiegel“ nun berichtet. Damit liege man unter Plan. Denn: Von Anfang Juli bis Mitte September sollten ursprünglich knapp 8000 Afghanen aus dem Land gebracht werden. Doch die Taliban blockierten mit ihren Schikanen viele Ausreisen.  

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