2019 sank der CO2-Ausstoß deutlicher als erwartet Deutschland kommt bei Klimaschutz voran

Berlin · 2019 sank der CO2-Ausstoß deutlicher als erwartet. Selbst das längst abgeschriebene Ziel für 2020 scheint wieder in Reichweite.

 Weil mehr Energie aus Wind und Sonne gewonnen werden konnte, produzierten im vergangenen Jahr Kohlekraftwerke weniger Strom und bliesen somit auch weniger klimaschädliches CO 2  in die Atmosphäre.

Weil mehr Energie aus Wind und Sonne gewonnen werden konnte, produzierten im vergangenen Jahr Kohlekraftwerke weniger Strom und bliesen somit auch weniger klimaschädliches CO 2 in die Atmosphäre.

Foto: Getty Images/ iStockphoto/FroggyFrogg

Zum Jahresbeginn gibt es gute Nachrichten für Deutschland in Sachen Klimaschutz. Die Energiewende – also vor allem der Umstieg auf Strom aus erneuerbaren Energien – ist 2019 ein ganzes Stück weitergekommen. Und der CO2-Ausstoß ist dadurch stärker gesunken als man bisher gedacht hatte, wie eine am Dienstag erschienene Auswertung der Denkfabrik Agora Energiewende zeigt. Selbst das eigentlich längst abgeschriebene 2020-Ziel, nämlich 40 Prozent weniger Treibhausgas-Ausstoß pro Jahr als 1990, scheint wieder in Reichweite. Mit Blick auf die kommenden Jahre gibt es aber noch viele offene Fragen.

Der Treibhausgas-Ausstoß hat sich 2019 verringert, weil weniger Strom aus Braun- und Steinkohle produziert wurde und mehr aus erneuerbaren Energien, vor allem aus Wind. Der Ökostromanteil am Brutto-Stromverbrauch kletterte 2019 Agora Energiewende zufolge auf fast 43 Prozent, im Vorjahr waren es noch etwa 38 Prozent gewesen. Ihr Anteil an der Stromproduktion stieg von gut 35 auf 40 Prozent – er ist geringer als der Anteil am Verbrauch, weil Deutschland Strom ins Ausland exportiert. Der Kohle-Anteil an der Stromproduktion fiel dagegen von 35,8 auf 28,2 Prozent, wie es in der Auswertung heißt. Zudem sank der Stromverbrauch, obwohl die Wirtschaft weiter wuchs. Mehr als 50 Millionen Tonnen CO2 konnten so eingespart werden.

Dem 2020-Ziel von 751 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten, das die Bundesregierung schon abgeschrieben hatte, kommt das Land nun näher. Den Berechnungen zufolge waren es 2019 noch 811 Millionen Tonnen CO2 und damit 35,2 Prozent weniger als 1990 gewesen. Allerdings müsste sich in diesem Jahr noch mehr tun als im letzten, um die 40-Prozent-Marke zu schaffen. 2030 soll die Marke 55 Prozent erreicht werden, das wären noch 563 Millionen Tonnen. Von 2020 an schreibt ein Klimaschutzgesetz den Einzelbereichen Verkehr, Energiewirtschaft, Landwirtschaft, Gebäude, Industrie sowie Abfallwirtschaft und anderen feste CO2-Jahresbudgets vor. Minister müssen nachlegen, wenn ihr Bereich Ziele reißt.

Ob der gesunkene CO2-Ausstoß indes ein Erfolg der deutschen Klimapolitik ist, darüber gehen die Meinungen auseinander. Agora Energiewende sieht als einzigen echten Grund, dass der CO2-Preis für die Energiewirtschaft in der EU gestiegen ist – damit war der Kohlestrom gegenüber Erdgas und Erneuerbaren weniger konkurrenzfähig. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) betont aber, dass dieses EU-System von der Politik reformiert wurde, und die Regierung den Ökostrom-Ausbau und das Abschalten einiger Kohlemeiler aktiv beschlossen habe.

Im Klimapaket setzt die Bundesregierung viel auf Förderung, etwa von Elektroautos und Ladepunkten. Geplant ist außerdem, die Kfz-Steuer stärker am CO2-Ausstoß auszurichten, aber ein Entwurf von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) lässt auf sich warten. Außerdem soll ein CO2-Preis ab 2021 Sprit und auch Heizöl nach und nach teurer machen. Im Gegenzug steigt aber die Pendlerpauschale, weswegen Kritiker glauben, dass der Effekt begrenzt sein wird.

Zumindest der Direktor von Agora Energiewende, Patrick Graichen, hat große Zweifel, ob die Entwicklung der Emissionen insgesamt so weitergehen wird – denn inzwischen stockt der Ökostrom-Ausbau, vor allem bei der Windenergie gibt es Probleme. Dazu kommt, dass Deutschland bis Ende 2022 aus der Atomkraft aussteigt, die 2019 noch rund zwölf Prozent Anteil an der Stromproduktion hatte. Und wenn mehr Autos elektrisch fahren, klettert der Strombedarf. Nach Berechnungen des Energiewirtschaftlichen Instituts der Universität Köln (EWI) für das Handelsblatt steigt er bis 2030 um 26 Prozent. Offen ist, wie klimafreundlicher Ökostrom das alles abdecken soll.

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