Impfgipfel Ein Symbol zur Beruhigung

BERLIN · An den Impfgipfel knüpften sich hohe Erwartungen. Ob er Durchbrüche für mehr Impfstoffe und mehr Termine bringen konnte, wird sich zeigen.

Spritzen, die wie ein Berg-Gipfel formiert sind. Ein Symbol wie jenes ist für viele auch das Impftreffen.

Spritzen, die wie ein Berg-Gipfel formiert sind. Ein Symbol wie jenes ist für viele auch das Impftreffen.

Foto: istock/istock, Montage: SZ

Impfdesaster oder historische Glanzleistung der Pharmaindustrie? Auch nach dem Impfgipfel dürften die Meinungen darüber auseinander gehen. Haben es Bundesregierung und EU-Kommission verpasst, die Menschen mit ausreichend großen Impfstoffmengen zu versorgen? Wurden Fehler gemacht, die über Leben und Tod entscheiden können? Oder sollten wir einfach nur froh sein, dass überhaupt schon mehrere Impfstoffe zugelassen sind?

Fest steht, dass sich angesichts knapper Impfstoffe, unzuverlässiger Lieferungen und einer oftmals chaotischen Terminvergabe reichlich Frust und Unsicherheit in der Bevölkerung breit gemacht haben. Und so sahen sich alle politischen Akteure unter Druck gesetzt, die Verantwortung dafür weiterzureichen. Die Länder an den Bund, der Bund an die EU, die EU an die Hersteller, die Hersteller zurück an die EU und dann auch noch die Parteien untereinander. So betonte die SPD im Vorfeld, dieser Gipfel sei ja den Sozialdemokraten zu verdanken und die bloße Existenz der Veranstaltung schon ein Erfolg.

Dass dieses Gespräch tatsächlich ein Erfolg gewesen sei, betonen Kanzlerin Merkel (CDU), der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nach fünfeinhalb Stunden einhellig. Auch wenn Söder der SPD das alleinige Glänzen nicht gönnt und die Kanzlerin dafür lobt, das Thema zur Chefsache gemacht zu haben. Und die wiederum darauf verweist, dass die Initiative ja auch von FDP-Chef Christian Lindner, von CDU-Außenexperte Norbert Röttgen und von der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) ausgegangen sei. Tatsächlich soll es in der Schalte aber auch gekracht haben. Teilnehmerangaben zufolge soll Söder die Vertreter der EU-Kommission angefahren haben, als die auf einen reibungslosen Ablauf in Europa verwiesen. Und insbesondere die Teilnehmer aus Bundes- und Landesregierungen sollen genervt gewesen sein, weil die Vertreter der Pharmaindustrie über Stunden referierten. Im Ergebnis steht nun aber mehr gegenseitiges Verständnis. Bund und Länder hätten nun eine „Berechenbarkeit“ für die Lieferung der Dosen in den verschiedenen Quartalen des Jahres, so die Kanzlerin. Um die Impfungen besser planen zu können, wollen Bund und Länder nun einen „nationalen Impfplan“ aufstellen. Dort sollen „nach bestem Wissen“ die bevorstehenden Lieferungen an Impfstoffen aufgeführt werden. Ziel sei es, „mehr Sicherheit zu geben, wie das Einladungsmanagement für die Menschen erfolgen kann“. Das allerdings soll weiterhin von den Ländern bestimmt werden, ein bundeseinheitliches Vorgehen wird es vorerst nicht geben.

Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz hatte im Vorfeld auf einen solchen Fahrplan gedrungen. Denn da ist ja noch eine Art Wette, die an die Zusagen von Kanzlerin und Gesundheitsminister geknüpft ist: Sie wollen bis Ende des Sommers allen ein Impfangebot machen können, sofern in Produktion und Lieferung keine Pannen mehr passieren. Scholz meldete Zweifel an, ob das so kurz vor der Bundestagswahl im September klappen kann. „Wenn ich die aktuelle Debatte über Impfstofflieferungen verfolge und hochrechne, müssen wir uns sehr anstrengen“, sagte Scholz am Wochenende. Rückendeckung sieht anders aus, Sabotage aber auch. Und Merkel? Die Kanzlerin erneuerte auf Grundlage der Aussagen der Hersteller ihr Versprechen, bis zum Ende des Sommers jedem Impfwilligen ein Angebot machen zu können. Diese Zusage gelte selbst dann, wenn die beiden Hersteller Johnson&Johnson sowie Curevac keine Zulassung für die von ihnen entwickelten Impfstoffe bekommen.

Doch auch nach dem Gipfel steht für alle Beteiligten viel auf dem Spiel. Für die Bundes- und Landespolitiker die Zustimmung der Wähler im Superwahljahr, für die EU der Zusammenhalt der Mitgliedsstaaten und für die Unternehmen ihr Ruf, ihr Image, ihr Aktienkurs. Und übergeordnet über solche Eigeninteressen wissen die Gipfelteilnehmer, dass sie maßgeblich dazu beitragen müssen, eine nie dagewesene Gesundheitskrise mit massiven Folgen für Menschen und Wirtschaft zu lösen. Ob der Gipfel dazu beitragen konnte? „Ich glaube, wir haben heute da auch ein Stück Realismus reinbringen können“, sagt Merkel. „Weil Wunder werden da jetzt nicht passieren.“

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