Schulpolitik Schlechte Noten für den Bildungsföderalismus

Berlin · Einer Studie des Ifo-Instituts zufolge wünschen sich die Bundesbürger mehr Zentralismus bei der Schulpolitik.

  Dass die einzelnen Bundesländer ihre Bildungspolitik selbst bestimmen, kommt laut einer Studie bei der Mehrheit der Bürger nicht gut an.

Dass die einzelnen Bundesländer ihre Bildungspolitik selbst bestimmen, kommt laut einer Studie bei der Mehrheit der Bürger nicht gut an.

Foto: dpa/Jonas Güttler

In Deutschland herrscht große Unzufriedenheit über das föderal organisierte Bildungssystem. Und die schlechten Erfahrungen vieler Eltern während der Corona-Krise haben dieses Gefühl offenbar eher noch verstärkt. Das geht aus einer aktuellen Untersuchung des Münchner ifo-Instituts hervor, die am Mittwoch veröffentlicht wurde.

Bildung ist in Deutschland bekanntlich Ländersache, auch wenn der Bund dabei seit einiger Zeit finanzielle Unterstützung leisten darf. So sind etwa die Lehrpläne in Bayern andere als die in Schleswig-Holstein oder Brandenburg. Das Gleiche gilt für die Länge der Gymnasialzeit, die Gestaltung von Abschlussprüfungen und die Lehrerausbildung. Besonders deutlich habe sich die Uneinheitlichkeit des Bildungssystems beim Umgang mit der Corona-Krise gezeigt, heißt es in der Ifo-Untersuchung. Als Beispiel wird das „zum Teil unkoordiniert erscheinende Vorgehen“ bei den Schulschließungen genannt.

Wie in der Bevölkerung darüber gedacht wird, hat das Ifo-Institut in einer repräsentativen Befragung von mehr als 10 000 Bürgern im Alter zwischen 18 und 69 Jahren erkundet. Das Ergebnis der im Juni und Juli durchgeführten Online-Erhebung ist für den Bildungsföderalismus wenig schmeichelhaft. So wünschen sich 60 Prozent der Deutschen, dass die wichtigsten bildungspolitischen Entscheidungen vom Bund getroffen und damit den Ländern entzogen werden. Die Zustimmung dafür steigt sogar auf 66 Prozent, wenn man die Befragten zuvor ausdrücklich auf die Bildungsunterschiede zwischen den Ländern hinweist. Noch deutlicher ist das Votum auf die Frage, ob es während der Corona-Krise bundeweit einheitliche Entscheidungen in der Bildungspolitik brauche oder nicht. 71 Prozent sind dafür, nur sechs Prozent „sehr dagegen“.

Auch bei der Vergleichbarkeit von Bildungsabschlüssen herrscht weitestgehend Einigkeit in der Bevölkerung: 82 Prozent sprechen sich für ein deutschlandweit einheitliches Zentralabitur aus, das sich am durchschnittlichen Abiturniveau aller Bundesländer orientiert. Auch ein Zentralabitur, das sich nicht am durchschnittlichen, sondern am anspruchsvollsten Abiturniveau aller Länder ausrichtet, findet mit 77 Prozent noch eine klare Zustimmung. Deutschlandweit einheitliche Lehrpläne für die gymnasiale Oberstufe wollen sogar 88 Prozent der Befragten.

76 Prozent unterstützen Reformideen wie etwa regelmäßige Ländervergleiche bei den Schülerleistungen. Solche Tests wären „durchaus wichtig, um die Bevölkerung zu informieren und den Druck auf die Länder zu erhöhen, die Bildungspolitik zu verbessern“, erklärte die Mitautorin der Studie, Elisabeth Grewenig.

Nach dem Koalitionsvertrag von Union und SPD sollte eigentlich ein „Nationaler Bildungsrat“ für mehr Vergleichbarkeit im Bildungswesen sorgen. Doch das Projekt scheiterte im vergangenen Jahr vor allem am Widerstand Bayerns, weil man dadurch eine Absenkung der eigenen Bildungsstandards fürchtet. Es brauche keine Vorgaben aus Berlin, hieß es auch von der Landesregierung Baden-Württembergs.

Dabei zeigt die Ifo-Befragung auch hier, dass die Bevölkerung völlig anders darüber denkt: 70 Prozent befürworten die Einrichtung eines solchen Bildungsrates. Und sogar 83 Prozent sind für einen Bildungsstaatsvertrag mit verbindlichen Vorgaben, wie er in der Kultusministerkonferenz derzeit als Alternative diskutiert wird.

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